Clemens Gleich
denen mein Ziel in sein eigenes Revier zurückkehrt, waren richtig", sagte Shardid. "Ich kann ihm dorthin nicht folgen."
"Das wissen wir. Wir sind Seher." Die Stimme klang leicht gereizt. "Was wir meinen ist: Was macht ihr hier bei uns?"
"Dieses Abfallprodukt, könnt ihr mir mittlerweile etwas über seine Agenda sagen?" Zögern. Fast sowas wie Betretenheit, wenn es das bei den Sehern überhaupt gab.
"Die Zeichen sind ... widersprüchlich. Eigentlich sollte es ihn nicht geben. Eigentlich sollte er tot sein. Aber er könnte auch unseren Zielen hilfreich sein."
"Also wisst ihr es noch nicht."
"Wir wissen es noch nicht. Aber es ist verifiziert, dass es sich um einen offenbar lebensfähigen Pikmo-Klon handelt. Trotzdem wird er einige Defekte haben, erkennbar schon am Aussehen."
"Vor allem sind seine Limiter defekt", sagte Shardid. Er war angespannt. "Er zeigt einfallsreiche, sadistische Scherze, die auf einen leistungsfähigen abstrakten Intellekt schließen lassen. Der unbedingte Gehorsam, den Fellige in Notfällen den Stimmen des Ministeriums leisten müssen, funktioniert wohl ebenfalls nicht, das wäre die beste Möglichkeit gewesen, ihn zu neutralisieren. Es hat keine überwachte Prägung stattgefunden und die Unterwürfigkeitslimiter sind allesamt auf den ersten Blick ohne Auswirkungen auf sein Verhalten. Wieso wurde er nicht umgehend entsorgt, als er entstand?"
"Das Förderband zur Biorecyclinganlage war damals kurzzeitig unzulänglich gesichert. Allen Anzeichen nach wurde er von dort gestohlen."
"Könnte er Pikmo töten?"
"Im direkten Duell ist er physisch unterlegen. Es kommt darauf an, was er in seinem Leben alles gelernt hat und welche Hilfe er in Anspruch nehmen kann. Und welche Pikmo. Wir sehen akute Lebensgefahr für Pikmo und Jianna von ihm ausgehen. Wir sehen auch Hilfe für die beiden. Wir brauchen Pikmo und Jianna lebend."
"Gramp und Palankin werden sich am Wiederaustrittspunkt postieren."
"Gebt ihnen jede Unterstützung."
"Sehr wohl."
Anforth Gramp war mit seinen Überlegungen zum diffus umrissenen Problemkreis "Wieso?" nicht besonders weit gekommen. Er war bis zur Frage gelangt, ob eine Stimme des Ministeriums nicht die ganze Unruhe stiftete, um daraus einen Vorteil zu ziehen. Nur welcher Vorteil konnte das sein? Ihm fiel keiner ein. Nach allem, was er über diese Staatsdiener wusste, fehlte es denen doch an nichts. Andererseits gab er gern zu, dass alles, was er wusste einfach nicht viel war. Um die Frage zu klären, hatte sich der Hauptmann in den taktischen Besprechungsraum gesetzt. Nicht, weil er den Taktiktisch nebst seiner Anzeigen benutzen wollte, sondern weil seine Kabine für zwei Personen schlicht unangenehm eng war und er mit Major Palankin über diesen Gedanken sprechen wollte. Der kam gerade zur Tür herein, als Gramp schon seine erste brennende Frage auf ihn abfeuerte:
"Was geht denn bei den externen Streitkräften eigentlich vor? Da müsste es doch auch richtig Wallung geben."
"Na, und ob! Manche munkeln schon, es könne Krieg geben." Magnus setzte sich.
"Ein Bürgerkrieg also...", sinnierte Gramp kinnkratzend. "Was könnte Shardid davon haben?"
"Fff...", machte Magnus. "Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Also: Die Stimmen des Ministeriums beziehen ihre Energie für die Ausführung ihrer realexekutiven Gewalt über als Äthermaschinen implementierte S-Wakos."
"S-Was?"
"Das S steht für Subsumption oder werkstattsprachlich auch Sklave. Wako ist die Abkürzung für Wandler-Koppler. Die meisten kleineren Maschinen und Fahrzeuge haben keine eigene Energieversorgung, sondern beziehen ihren Bedarf über S-Wakos von großen Generatoren. In der imperialen Technik führen wir Generatoren meist als teilredundante Sammlung von Nu-Reaktoren aus, die stationär oder auf großen Schiffen untergebracht sind. Die abhängigen Begleitfahrzeuge haben dann meist S-Wakos und Akkumulatoren für Unterbrechungen in der Energieversorgung." Hier sah Palankin in das leicht skeptische Gesicht des Hauptmanns. "Ich weiß, dass die meisten Leute S-Wakos als Generatoren bezeichnen, und das ist für den Alltagsgebrauch auch schön und gut, nur sollten Sie für unsere Erörterung die exakteren Umstände wissen. Vielleicht sollte man Aufklärungsarbeit leisten, damit sich im Alltag eher ein Begriff wie 'S-Generator' durchsetzt. Tatsächliche Generatoren sind groß und schwer und stellen unvorstellbare Mengen an Energie bereit. Deshalb gibt es davon gar nicht so viele. Weniger, als Sie vielleicht
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