Clemens Gleich
Beim Sterben? Wir sollten sie hier lassen, dann sind wir auch viel schneller."
"Nein. Jianna hilft mir beim Suchen."
"Beim Suchen! Die findet doch ihren eigenen Arsch nicht, nichtmal, wenn sie ihre tolle Landkarte noch hätte!"
"In der Stadt kann sie mir viel helfen. Wir nehmen sie mit." Pikmo nahm sie demonstrativ in den Arm.
"Eure Stadt gibts doch gar nicht", warf Fuzz noch lasch ein, aber er war geschlagen. Sie schnallten ihr Gepäck wieder an und liefen still weiter. Als Jianna ihre Stimme wiedergefunden hatte, fragte sie:
"Was war das? Ich hab noch nie von so einem Tier gehört. Wo sind wir hier?" Fuzz sah sie lange an, während er neben Pikmo herlief. Seufzend schüttelte er den Kopf. Sein Ärger war verraucht.
"Weit, weit von zu Hause, das kann ich dir sagen", sagte er schließlich. "Sei lieber froh, dass du nur den getroffen hast. Der hatte nur argen Hunger, so ausgemergelt wie der war. Es gibt Leute, die sehen lieber aus als kleine Mädchen, würden einen aber als Gute-Nacht-Unterhaltung zu Tode quälen."
"Aber ich kenne die Gegend, die Grasebenen! Ich war dort wandern. Wir können selbst mit dem Schiff nicht so weit weg sein, dass alles ganz anders ist."
"Es reicht ein falscher Schritt, mit dem man in eine ganz andere Welt stolpert, sagt man", sagte Fuzz. "Man ist nur eine Wellenlänge weiter und kann trotzdem nie wieder heim. Ich kann mich auch noch an zu Hause erinnern. Nicht an Krul, an mein Zuhause davor. Meine Mutter hat nach Wärme und Ruhe und Blumen gerochen. Sie könnte hier sein, eine Welt weiter, und ich würde einfach durch sie durchlaufen." Sein Gesichtsausdruck verklärte sich.
"Das verstehe ich nicht. Und du verstehst es auch nicht, glaube ich."
"Stimmt, ich verstehe es auch nicht", gab er zu, "Aber so hat mir's mal jemand erklärt. Auf jeden Fall ist die Grenze nach Hause irgendwie dünn, aber trotzdem unüberwindbar. Gut, dass ihr mich habt! Weiß gar nicht, was aus euch sonst geworden wäre. Gulasch wahrscheinlich."
"Wenn das stimmt, was du sagst, wie sollen wir dann ans Ziel kommen?", fragte Jianna.
"Woher soll ich das wissen? Steht das nicht auf deiner Landkarte?"
"'Die du weggeschmissen hast?"
"Hast du vielleicht noch eine?" Jianna ignorierte das.
"Wir werden trotzdem dahin gehen, wo Paltberg sein sollte", entschied sie. "Wenn es nicht da ist, müssen wir eben weiter sehen. Wir haben sowieso keine Alternativen."
"Genau. Außerdem seid ihr ja irgendwie hierhergekommen. Also muss es irgendwie einen Weg zurück geben."
"Aber warum hilfst du uns?"
"Wegen ihm", sagte Fuzz und zeigte mit dem Daumen auf sie, weil er den Pikmo unter ihr meinte. "Ich mag Pi, auch wenn ihn sonst fast keiner mag und er echt komisch sein kann." Er nahm Pikmo am Arm und redete weiter: "Du bist mit ihm irgendwie verwandt, so eng wie ein Zwillingsbruder. Ich will euch zusammenbringen. Bestimmt ist es gut für Pi, wenn er einen Bruder kennenlernt. Also helfe ich euch, dahin zu kommen, wo euer Kaff nicht ist, und dann besuchen wir Pi. Bestimmt mag er dich. Bestimmt freut er sich."
Pi stellte sich gerade genüsslich vor, was er alles mit Fuzz machen würde, wenn er ihn mit Pikmo endlich fand. Die Fußsohlen abziehen klang gut. Skalp abreißen. Würgen. Man könnte ihn mit einem großen Haken durch die Rippen an einen Baum hängen. Man müsste nur vorher Arme und Beine abschneiden, damit er sich nicht losmachte... Telemann riss ihn aus seinen Tagträumen:
"Wieso nehmen wir die Schlampe mit?", fragte er erregt. "'Schlampe' ist ein Synonym für 'Problem'. Sie ist uns nur ein Klotz am Bein. Was ist los? Frauen kannst du dir überall holen, es gibt keinen Grund, sie mitzunehmen." Pi sah ihn an. Dann sah er seine Hand an, die einen Leichnam hielt, deren körperflüssige Spur bis in den Laderaum des Frachters führte, den sie gerade untersuchten. Nicht gerade eine übliche Fracht... Er warf den Körper fast demonstrativ beiläufig vom Ast und antwortete:
"Frauen kotzen mich spätestens danach extrem an. Die hier nicht...", sagte Pi, zögerte, dann: "...so arg. Das muss eine Premiere sein. Also kann ich mir eben nicht überall dasselbe holen. Also kommt sie mit. Und stell nicht so viele Fragen, die mich in Frage stellen. Ich möchte meine bequeme Position als Alpha-Männchen nicht verteidigen. Das wäre ja Arbeit."
"Es geht hier doch nicht um dich und mich!", ereiferte sich der Lotse. "Es geht um eine wichtige Mission! So viele beneiden dich darum und hassen dich deswegen, aber bist du nicht ein auch
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