Clovis Dardentor
liegt,
Steigung hatte.
— 231 —
An dieser Station stiegen die drei Coupégefährten Mar-
cel Lornans’ aus, der nun allein zurückblieb.
Von der vertikalen Haltung konnte er nun in die ho-
rizontale Lage übergehen, während der Zug jenseits des
Fleckens Charrier am Fuß bis zur Kammhöhe bewaldeter
Berge hinrollte. Da senkten sich allmählich die Lider über
seine Augen, obwohl er sich bemühte, dem Bedürfnis des
Schlafs zu trotzen, der das Bild seines Traums hätte verwi-
schen können. Er unterlag aber doch, und der Name »Fran-
chetti!« war das letzte gewesen, was er zu hören glaubte.
Wie lange schlief er denn und warum fühlte er sich halb
erwacht dem Ersticken nah? . . . Aus seiner Brust rang es
sich nur wie ein quälendes Schluchzen hervor. Er erstickte
. . . der Atem ging ihm aus . . . Ein beißender Rauch erfüllte
das Coupé . . . bald mischten sich ihm rußende Flammen
bei, die unter ihm, durch die Geschwindigkeit des Zugs an-
gefacht, weiter zunahmen . . .
Marcel Lornans wollte sich erheben, um eine Scheibe zu
zertrümmern . . . Er sank nach Luft schnappend wieder zu-
rück.
1 Stunde später, als der junge Pariser, dank der Sorgfalt,
die man ihm gewidmet hatte, im Bahnhof von Saïda wieder
zu Bewußtsein kam, als er die Augen aufschlug, da sah er
Herrn Dardentor, Jean Taconnat und auch Louise Elissane
an seiner Seite.
Sein Waggon war in Brand geraten, und sobald der Zug
endlich auf ein Signal des Schaffners zum Stehen gekom-
men war, hatte Clovis Dardentor nicht gezögert, unter Le-
— 232 —
— 233 —
bensgefahr durch die Flammen zu dringen, um Marcel
Lornans zu retten.
»Oh, Herr Dardentor!« murmelte dieser mit dankerfüll-
ter Stimme.
»Schon gut, schon gut!« wehrte der Perpignaneser ab.
»Glauben Sie denn, ich hätte Sie wie einen Truthahn braten
lassen? Ihr Freund Jean und Sie hätten für mich gewiß das-
selbe getan . . .«
»Ganz gewiß!« rief Jean Taconnat. »Doch diesmal . . .
diesmal . . . sind Sie es gewesen, der . . . und das ist eine ganz
andere Sache!«
Heimlich flüsterte er aber seinem Vetter ins Ohr: »Ent-
schieden . . . auch nicht ein Fünkchen Glück!«
11. KAPITEL
Ein Kapitel, das nur auf das nächste vorbereitet
Endlich war die Stunde gekommen, wo die verschiedenen
Elemente der Gruppe Dardentor zu einer Karawane zu-
sammenwachsen sollten. Von Saïda bis Sidi-bel-Abbès gab
es keine Bahnlinie mehr, keine Beförderung in Wagen, die
von der fauchenden Lokomotive gezogen wurden. Einfache
Fahr- und Reitwege traten nun an die Stelle der Gleise.
350 Kilometer waren von hier aus »unter den ange-
nehmsten Verhältnissen«, wie Herr Dardentor wiederholt
versicherte, zurückzulegen. Auf Pferden, Mauleseln, auf
Kamelen und Dromedaren oder im Wagen sollte es über
— 234 —
die weiten, von Alfalieferanten ausgebeuteten Landstrecken
und durch die unermeßlichen südoranischen Wälder ge-
hen, die auf kolorierten Landkarten wie Blumenkörbe aus-
sehen, die von dem Adernnetz der Oueds der bergigen Ge-
gend mit Wasser versorgt und erfrischt werden.
Von Oran ab und während der Fahrt von 176 Kilome-
tern blieb es offensichtlich, daß der Erbe der Désirandel-
les, in seiner Bedeutungslosigkeit verharrend, sich um kei-
nen Schritt dem Ziel genähert hatte, auf das seine Eltern
ihn hindrängten. Andererseits konnte es Frau Elissane nicht
entgehen, daß Marcel Lornans jede Gelegenheit zum Ver-
kehr mit ihrer Tochter wahrnahm, um ein Wort mit ihr
zu sprechen, was – trotz seiner Berechtigung dazu – der
Schwachkopf Agathokles nicht tat. Ob Louise für die Auf-
merksamkeiten des jungen Mannes empfänglich war . . . ja,
vielleicht . . . doch nichts weiter, dafür trat Frau Elissane ein.
Überdies war sie nicht dazu geschaffen, von einem einmal
gefaßten Beschluß abzugehen . . . niemals würde Louise, die
sie schon noch ins Gebet nehmen wollte, es wagen, ihre Zu-
stimmung zu der geplanten Heirat zu verweigern.
Hatte wohl Jean Taconnat Ursache, befriedigt zu sein?
»Alle Wetter . . . nein!« rief er an eben diesem Morgen.
Marcel Lornans befand sich noch im Zimmer des Hotels,
wohin er in der vorigen Nacht geschafft worden war, und er
lag auch noch auf dem Bett, obschon er jetzt schon lange
wieder unbehindert atmete.
»Nein«, wiederholte der andere nochmals, »es scheint,
als ob sich alles verschworen hätte . . .«
— 235 —
»Nicht gegen mich«, warf sein Vetter ein.
»Auch gegen dich,
Weitere Kostenlose Bücher