Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
die Tür schloss sich wieder. Wenn der Lift herunterkam, spielte der Aufpasser das Theater umgekehrt. Albernes Herumnesteln an den Schnürsenkeln ersparte er sich.
Der Schlosser brauchte achtzehn Sekunden und ein höchst raffiniertes Werkzeug, um die elektronische Türsicherung der Suite zu überwinden. Drinnen arbeiteten die drei sehr schnell. Die Reisetasche war ausgepackt, der Inhalt säuberlich in den Schrank gehängt oder in die Schubladen gelegt. Der Attachékoffer lag auf einer Kommode.
Er war mit Zahlenschlössern verschlossen, deren einzelne Ringe die Ziffern von eins bis neun trugen. Der Schlossknacker steckte sich ein Stethoskop in die Ohren, drehte die Ringe und lauschte aufmerksam. Nacheinander fanden die Zahlen den Platz, an den sie gehörten, und die Messingschließen schnappten auf.
Der Inhalt bestand hauptsächlich aus Papieren. Der Mann mit dem Scanner machte sich an die Arbeit. Hände in weißen Seidenhandschuhen kopierten alles auf einen Memorystick. Ein Brief war nicht dabei. Dexter, der ebenfalls Handschuhe trug, durchstöberte sämtliche Fächer im Deckel. Kein Brief. Mit dem Kopf deutete er auf die Wandschränke, von denen es in der Suite ein halbes Dutzend gab. Den Zimmersafe fanden sie in dem Schrank unter dem Plasmafernseher.
Der Safe war gut, aber nicht dazu geschaffen, der Technologie, dem Geschick und der Erfahrung des Mannes zu widerstehen, der im Einbruchslabor in Quantico ausgebildet und trainiert worden war. Der Zahlencode bestand aus den ersten vier Ziffern von Julio Luz’ Mitgliedsnummer der Anwaltsvereinigung Bogotá. Der Brief lag im Safe, lang und schmal, steifes, cremefarbenes Papier.
Er war zugeklebt, und zusätzlich zog sich ein klarer Klebstreifen quer über die Lasche. Der Papierexperte betrachtete das Ganze einen Augenblick lang, nahm dann ein kleines Werkzeug aus seiner Tasche und bügelte damit den Umschlag, als wäre es ein Hemdkragen. Nach kurzer Zeit ließ die Lasche sich widerstandslos öffnen.
Weiße Handschuhfinger zogen drei zusammengefaltete Bögen heraus. Mit einer Lupe suchte der Kopierfachmann nach einem menschlichen Haar oder einem ultradünnen Faden, der anzeigen könnte, dass man sich an dem Brief zu schaffen gemacht hatte, aber da war nichts. Der Absender verließ sich offensichtlich darauf, dass der Anwalt dieses Schreiben intakt an Señorita Letizia Arenal übergeben würde.
Der Brief wurde gescannt und wieder in den Umschlag gesteckt, der Umschlag mit einer klaren, farblosen Flüssigkeit neu verschlossen und genau so in den Safe zurückgelegt, wie er vorher gelegen hatte. Der Safe wurde geschlossen und das Zahlenschloss so zurückgedreht, wie es gewesen war. Die drei packten ihre Sachen zusammen und verließen die Suite.
Der Aufpasser bei den Fahrstühlen schüttelte den Kopf. Die Zielperson war nicht aufgetaucht. In diesem Augenblick kam ein Lift von unten herauf und hielt an. Die vier Männer verschwanden durch die Tür ins Treppenhaus und gingen zu Fuß hinunter. Gerade rechtzeitig: Señor Luz trat aus dem Aufzug und kehrte in seine Suite zurück, um ein duftendes Bad zu nehmen und vor dem Abendessen noch ein wenig fernzusehen.
Dexter zog sich mit dem Team in sein Zimmer zurück, wo sie den Inhalt des Attachékoffers vom Stick auf den Laptop luden. Ortega würde alles bis auf den Brief bekommen, den Dexter jetzt selbst las.
Er ging nicht zum Abendessen, sondern postierte zwei Mann seines Teams an einem Tisch auf der anderen Seite des Restaurants. Sie berichteten nachher, das Mädchen sei gekommen, habe gegessen, den Brief genommen, dem Überbringer gedankt und sei dann gegangen.
Am nächsten Morgen übernahm Dexter die Frühstücksschicht. Er beobachtete, wie sich Luz an einen Zweiertisch an der Wand setzte. Das Mädchen kam zu ihm und brachte ihm ihren Brief, und Luz schob ihn in die Innentasche seines Jacketts. Nach einem schnellen Kaffee lächelte das Mädchen dankbar und verabschiedete sich.
Dexter wartete, bis der Kolumbianer gegangen war. Bevor das Personal den leeren Tisch erreichen konnte, ging er selbst daran vorbei und stolperte. Dabei stieß er die fast leere Kaffeekanne des Kolumbianers auf den Teppich. Über seine eigene Ungeschicklichkeit fluchend, nahm er eine Serviette vom Tisch und betupfte den Fleck damit. Ein Kellner stürzte herbei und beharrte darauf, dass dies seine Aufgabe sei. Als der junge Mann sich bückte, warf Dexter die Serviette über die Tasse, aus der das Mädchen getrunken hatte, wickelte sie darin ein
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