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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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schon über kleine Dinge. Sie holte draußen noch einmal tief Luft, stellte sich auf das ein, was sie erwartete, und trat ins Innere.
    Der Gestank war nicht ganz so übel, wie sie befürchtet hatte. Von den Leichen selbst konnte sie das nicht behaupten.
    »Die Tür dürfte für Insekten kein Hindernis gewesen sein«, bemerkte Daulo direkt hinter ihr. Seine Stimme verriet fast die gleiche Anspannung, die sie selbst verspürte, und es war unverkennbar, dass er durch den Mund atmete. »Gibt es Schaufeln an Bord?«
    »Mindestens eine. Versuchen wir’s mal hier hinten.«
    Sie fanden die Schaufel fast augenblicklich irgendwo inmitten der Notausrüstung. Sie war robust, jedoch klein, und eindeutig nur für kleinere Arbeiten vorgesehen. Doch Jin hatte ohnehin nicht geplant, sehr tief zu graben, und die zusätzliche Kraft ihrer Cobra-Servos glich den unhandlichen kurzen Stiel aus. Eine halbe Stunde später waren die fünf Gräber am Rand der Absturzstelle fertig.
    Daulo wartete in der Nähe des Shuttles, und sie stellte fest, dass er, während sie gegraben hatte, aus ein paar Rohren und Sitzkissen eine Trage improvisiert und einige der ausgelösten Prallsäcke losgehackt hatte, um sie als Leichensäcke zu benutzen. Wenigstens dafür taugen sie, dachte sie voller Verbitterung angesichts des dicken Plastiks, als sie und Daulo die Leichen hineinzwängten. Ansonsten haben sie jedenfalls nicht viel genützt.
    Ein paar Minuten später standen sie und Daulo Seite an Seite vor den Gräbern. »Ich … ich weiß nicht, was man bei einer Beerdigung
sagen muss«, gestand Jin teils Daulo, teils den Leichen in den Gräbern vor ihr. »Aber ich möchte ihrer noch einmal gedenken und meine Trauer ausdrücken … das wenigstens kann ich noch für sie tun.«
    Hinterher wusste sie nicht mehr, was sie gesagt und wie lange sie gesprochen hatte, nur dass ihre Wangen feucht waren, als sie endete. Ein stummes Wort des Abschieds für jeden Einzelnen von ihnen, dann hatte sie die Schaufel bereits in der Hand, als Daulo sie am Arm zurückhielt. »Es waren Ihre Freunde, nicht meine«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Aber wenn Sie gestatten …?«
    Sie nickte, und er trat einen Schritt nach vorn. Er sprach nur ein paar Minuten, und doch war Jin in dieser kurzen Zeit tief gerührt. Auch wenn ihr der Rhythmus der Worte verriet, dass es sich um einen formelhaften Text handelte, so hatte Daulos Grabrede dennoch etwas sehr Persönliches. Was für Gefühle er auch immer gegenüber Jin oder den Cobra-Welten im Allgemeinen hegen mochte, für ihre toten Mannschaftskameraden empfand er sichtlich keine Feindseligkeit.
    »… wir gehören Gott, und zu ihm kehren wir zurück. Mögen eure Seelen Frieden finden.«
    Die Litanei war zu Ende, und einen Augenblick lang standen sie stumm nebeneinander. »Danke«, sagte Jin leise.
    »Die Toten sind niemandes Feind«, erwiderte er. »Gott allein kann ihr Tun jetzt noch gutheißen oder verdammen.« Er holte tief Luft und warf Jin einen unschlüssigen Blick zu. »Der eine von ihnen … Sie haben ihn Mander genannt …«
    »Mander Sun, ja.« Sie nickte. »Einer meiner Kameraden … bei den Höllenkriegern.«
    »War er tatsächlich Ihr Bruder, wie Sie in der Geschichte behauptet haben, die Sie meiner Familie erzählt haben?«
    Jin biss sich auf die Unterlippe. »Er war mein Bruder, wenn auch nicht mein leiblicher.«
    »Verstehe.« Daulo warf noch einen Blick auf die Gräber, dann sah er hoch zur Sonne. »Wir sollten bald aufbrechen. Irgendwann
wird man mich vermissen, und wenn ein Suchtrupp meinen Wagen findet, entdeckt er wahrscheinlich auch Ihre Notpakete.«
    Jin nickte und nahm die Schaufel.
    Die Gräber zuzuschütten dauerte nur ein paar Minuten, und als sie fertig war, brachte sie die Schaufel zurück in das Shuttle. »Hat keinen Sinn, sie hier draußen liegen und verrosten zu lassen«, erklärte sie.
    »Nein.«
    Irgendetwas in seiner Stimme ließ sie herumfahren und ihn ansehen. »Ist etwas?«
    Er betrachtete stirnrunzelnd den Explosionsschaden an der Seite des Shuttles. »Sie sind sicher, dass dafür nicht ein technisches Versagen verantwortlich ist?«
    »Einigermaßen sicher«, erwiderte sie. »Warum?«
    »Sie waren vorhin so überrascht, dass man das Shuttle nicht gefunden hat, und daher nahm ich an, es sei durch den Absturz irgendwie verdeckt worden. Aber das hier …«, er erfasste die umgelegten Bäume mit einer Handbewegung, »… kann man unmöglich von einem Flugzeug aus übersehen, wenn man danach sucht.«
    »Da

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