Colin Cotterill
versteht. Dann bewahren wir strengstes Stil schweigen, bis Inspektor Phosy morgen wiederkommt. Dtui, Herzchen, wir brauchen einen zweiten Durchschlag davon, für al e Fäl e. Kriegen Sie eventuel eine zusätzliche Schicht Kohlepapier in die Maschine?«
»Dann wird der Text zwar ein bisschen platter, aber ich glaube schon.«
»Gut. Und jetzt flicken wir die junge Dame wieder zusammen und schicken sie Frau Nan, der Einbalsamiererin. Ich räume das Büro auf. Wir haben heute Abend einen Gast.«
Um Viertel nach sechs saß Siri al ein an seinem Schreibtisch. Zuvor war er in das winzige Kabuff hinaufgestiegen, das sich Bibliothek schimpfte, und hatte die Vietnam-Akte mitgenommen. Sie lag in seiner Umhängetasche auf dem alten, grünen Aktenschrank. Als sich der Himmel verdunkelte, fühlte er sich von neuem schutzlos und verwundbar. Schließlich musste er zu Fuß nach Hause gehen und hatte obendrein Beweismaterial bei sich, für das andere bereit waren zu töten.
Vor Antritt seines Obst-und-Gemüse-Dienstes war Geung zum Markt gefahren und hatte das größte Vorhängeschloss, das er finden konnte, sowie zwei Haspen erstanden. Der Händler hatte Geung erzählt, die kaufe schon lange niemand mehr, aber auf andere Leute wurde ja auch nicht geschossen.
Das Quatschen von Gummisandalen auf den Betonstufen riss ihn aus seinen Träumereien. Die schwangere Schwester der Toten öffnete nervös die Tür.
Siri stand auf und bat sie herein.
»Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ist Ihr Mann nicht mitgekommen?«
»Er spielt Karten.« Siri fragte sich, ob es für den Kerl nichts Wichtigeres gab.
»Außerdem ist er nicht mein Mann.«
»Ist das von ihm?« Siri deutete auf ihren pral en Bauch. Er ragte hervor wie ein Knoten in der Borke eines hohen, jungen Baums. Sie nickte müde.
»Setzen Sie sich doch. Etwas zu trinken?«
»Nein.«
Siri stel te seinen Stuhl neben den ihren und senkte die Stimme. »Als wir uns heute Nachmittag unterhalten haben, meinten Sie, Mai könne unmöglich Selbstmord begangen haben. Warum?«
»Weil… weil es ihr egal war.«
»Was?«
»Na, al es. Sie machte sich über nichts Gedanken. Für sie war al es nur ein großes Spiel.«
»Was, al es?«
»Das Leben, die Arbeit, die Liebe. Einfach al es.«
»Ist sie der Liebe wegen nach Vientiane gekommen?«
»Um sich zu verlieben.«
»Sie ist also niemandem hierher gefolgt? Etwa einem Mann, mit dem sie in Xam Neua eine Affäre hatte?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja. Zwischen uns gab es keine Geheimnisse. Sie ist nach Vientiane gekommen, weil ich hier war. Sie wol te sich einen reichen Mann angeln.
Hübsch genug war sie ja.« Ihr Blick war glasig, und die Glühbirne an der Decke spiegelte sich in ihren tränenfeuchten Augen. »Es fehlte ihr nicht an Verehrern. Einer von ihnen hat ihr sogar die Miete bezahlt. Verstehen Sie mich nicht falsch, sie war keine Hure. Sie spielte die Geliebte.«
»Wissen Sie, wer er war?«
»Der mit dem Zimmer? Nur einer von vielen geilen Böcken, die es auf sie abgesehen hatten.«
»Hat sie über ihn gesprochen?«
»Sie hat über al e gesprochen.«
»Gab es jemand Besonderen? Einen älteren Mann? In gehobener Stel ung?«
»Nichts gegen Sie, aber es gab da so einen alten Knacker… Er war ständig hinter ihr her.«
»Haben sie ihn mal kennengelernt?«
»Nein. Mein Freund lässt mich nicht vor die Tür. Das heute Abend ist eine Ausnahme. Ich habe ihm erzählt, ich wol te ins Krankenhaus, um das Baby untersuchen zu lassen. Er hat mich hergefahren. Aber mit Mai konnte ich immer nur sprechen, wenn sie mich besuchen kam. Ich kannte keinen von ihren Kerlen persönlich.«
»Weiß Ihr Freund, dass Sie Ihre Schwester nach Xam Neua bringen wol en?«
»Nein.«
»Wol en Sie wiederkommen?«
Sie lächelte. »Ihnen kann man nichts vormachen, was? Nein. Ich komm nicht wieder. Er taugt nicht zum Vater meines Kindes.«
»Das ist eine sehr tapfere Entscheidung.«
»Das liegt in der Familie. Mai und ich waren beide sehr starrköpfig. Sie haben sie schon untersucht, nicht wahr?«
»Ja. Ich habe sie untersucht.«
»Und?«
»Nein.«
Sie tat einen tiefen Seufzer der Erleichterung, und die Tränen begannen zu fließen. Sie rol ten ihr über die Wangen, und ein Schluchzen entrang sich ihrer Brust. Siri riss ein Stück von der Küchenrol e auf seinem Schreibtisch, und sie schneuzte sich die Nase.
»Danke. Wie ist sie gestorben?«, fragte sie.
»Jemand hat sie erwürgt. Und dann versucht, es wie Selbstmord aussehen zu
Weitere Kostenlose Bücher