Collection Baccara Band 0294
gekürzt worden. Kunst und Kultur scheinen nicht mehr so gefragt zu sein, da stellt man lieber mehr Lehrer für Mathe und Wirtschaft ein.“
Schulterzuckend schenkte sie sich Wein nach. „Mit der Lehrerlaufbahn ist es also nichts geworden, daher bin ich zurück an die Universität gegangen, um einen Masterabschluss in Kunstgeschichte zu machen. In den Semesterferien habe ich dann ein Praktikum bei einem Restaurationsprojekt gemacht, das vom Smithsonian Institute und der Rockefeller-Stiftung finanziert wurde. Dabei habe ich meine Faszination für das Restaurieren und Instandsetzen von schönen antiken Gegenständen entdeckt. Die Mitarbeiter der Stiftung haben mich davon überzeugt, an einem ihrer speziellen Restaurationsprogramme teilzunehmen.“
„Was sind das für Programme?“
„Da gibt es alles Mögliche, über das ganze Land verteilt. Es fängt bei Denkmalpflege an, aber es gibt auch Projekte, die sich mit Kunsthandwerk oder mit darstellender oder bildender Kunst beschäftigen. Manchmal werden auch naturwissenschaftliche Forschungen mit einbezogen. Das bekannteste Projekt der Rockefeller-Stiftung befindet sich in Williamsburg, Virginia. Dort wird gerade das historische Stadtzentrum restauriert.“
„Hört sich spannend an.“
„Das ist es auch“, sagte sie lächelnd. „Ich habe meine ersten Erfahrungen in diesem Bereich bei der Restaurierung von Kirchenfenstern gesammelt, das war in einer Kathedrale in Washington D. C. Danach habe ich in einem alten Eisenbahndepot in Seattle gearbeitet. Ehrlich gesagt waren es in den letzten Jahren so viele Projekte, dass ich gar nicht alle aufzählen kann.“
„Sie sind ja ganz schön herumgekommen.“
„Das stimmt, aber irgendwann ist man es leid, immer nur aus dem Koffer zu leben. Es hat natürlich auch Vorteile. Ich glaube, ich habe mehr von Amerika gesehen als viele andere Leute. Wenn Sie eine Restaurantempfehlung in irgendeiner Stadt brauchen, fragen Sie mich ruhig.“
Er lächelte und sah sie herausfordernd an. Der Schalk blitzte in seinen dunklen Augen. „Dann werde ich Sie mal auf die Probe stellen. San Francisco?“
„Vergessen Sie all die klassischen Restaurants. Dort muss man unbedingt an den Hafen, zu den kleinen Imbissen entlang des Fisherman’s Wharf. Die Muschelsuppe da ist köstlich. Die beste, die ich je gegessen habe.“
„Gibt es da auch diese leckeren Krabbenpuffer?“
„Wenn Sie wirklich gute Krabbenpuffer essen wollen, müssen Sie nach Annapolis, Maryland fahren. Ich kann mich auf Anhieb nicht an den Namen des Lokals erinnern, aber Sie können es nicht verfehlen, wenn Sie am Pier entlanggehen. Es ist ein kleines mit Schindeln verkleidetes Häuschen mit gelben Türen und Fenstern. Sehr rustikal, aber dort gibt es die besten Krabbenpuffer der Welt. Mehr Krabben als Puffer. Und wenn Sie sich satt gegessen haben, müssen Sie unbedingt eine Führung in der nahe gelegenen Marineakademie mitmachen. Die haben eine tolle Skulptur von John Paul Jones im Kellergewölbe der Kapelle.“
„Wer ist das denn? Sollte ich den kennen?“
„John Paul Jones, der Kapitän und Revolutionsheld“, erwiderte Emily. Als sie seinen ratlosen Blick sah, fuhr sie fort: „Das hatten Sie doch sicherlich im Geschichtsunterricht. Die Seeschlacht zwischen der Bonhomme Richard und der H. M. S. Serapis, davon gibt es ein sehr berühmtes Gemälde.“
Er schüttelte den Kopf, und sie seufzte.
„Aber vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg haben Sie schon mal gehört?“
„Natürlich. Aber ehrlich gesagt ist meine letzte Geschichtsstunde schon eine Weile her.“
„John Paul Jones war derjenige, der den berühmten Satz gesagt haben soll: ‚I have not yet begun to fight‘ – Ich habe noch gar nicht angefangen zu kämpfen.“
„Ach, der! Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“
Emily verdrehte die Augen und fuhr fort: „Sein Sarkophag steht in der Rotunde unter der Kapelle der Marineakademie. Er ist sehr kunstvoll aus Marmor gefertigt, verziert mit Neptuns Dreizack und einer Anspielung auf Davy Jones. Den kennen Sie aber?“
„Selbstverständlich.“ Er lachte und nahm sich noch ein Stück Käse. „Der Sänger der Monkees, so ein kleiner Engländer.“
„In der Seemannssprache ist Davy Jones eine Bezeichnung für den Teufel des Meeres. Sie sind wirklich ein Kulturbanause!“
„Ja, ich weiß.“ Seinem Lachen hörte man an, dass ihn das nicht im Geringsten störte. Er zwinkerte ihr zu. „Wenn es irgendwann mit der Kunst nicht mehr so gut
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