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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Zeit!“
    Sein Enthusiasmus erlischt auf der Stelle. „Ich
    bin doch kein Pestkranker, zum Teufel! Ich habe
    auch meinen Stolz.“
    „Dann nimm ein Putzmittel und poliere ihn auf,
    er ist nicht ganz sauber.“
    „Ich habe das Recht auf denselben Respekt wie
    die anderen Kollegen. Es ist nicht fair, mich so zu
    behandeln. Verdammt, wir sind im Krieg! Wir
    müssen zusammenhalten“, jammert er und zieht
    sich in seine Nische zurück.
    „Mein Hals ist schon ganz steif“, stöhnt Lino und
    kommt aus seinem Versteck hervor. „Wegen die-
    sem Kauz bricht noch mal mein Magengeschwür
    auf. Sag mal, Kommy, kannst du es nicht einrich-
    ten, daß er weit weg versetzt wird?“
    „Unmöglich. Er hat eine Schwester in der Ver-
    waltung, die läßt es sich von vorn und hinten be-
    sorgen.“
    Baya spielt die Verlegene und versteckt das Ge-
    sicht in den Händen.
    Ich bedeute meinen Sklaven mit einer Kopfbe-
    wegung, mir zu folgen. Sobald wir allein sind,
    nehme ich ihre Berichte entgegen. Den Anfang
    macht Lino, der am meisten Ehrgeiz hat und in der
    Hierarchie am höchsten steht. Er blättert in seinem
    Notizblock. Ich weiß, daß nichts drinsteht, doch
    sein Bluff erlaubt mir erst einmal durchzuatmen.
    „Sabrine Malek, blond, grüne Augen … Wo hab
    ich sie nur, wo hab ich sie nur …? Ah! Da ist sie
    ja. Seite 19. Das Mädchen hat Hummeln im Hin-
    tern. Die kann nicht stillsitzen. Gilt in der Schule
    trotz heißem Outfit nicht gerade als Kanone …“
    „Das letzte Mal hat man sie vor drei Wochen ge-
    sichtet“, fährt Serdj fort. „War mit einem gewissen
    Mourad Atti zusammen, ein Zuhälter, wenn er
    nicht gerade im Gefängnis sitzt.“
    „Nach den Aussagen ihrer Klassenkameradinnen
    ist sie andauernd abgehauen. Hat nie bis zum Ende
    der Stunde durchgehalten. Ein echtes Problemkind.
    Nicht sonderlich beliebt.“
    „Wir müssen ihn finden, diesen Mour…“
    Ich habe den Satz noch nicht beendet, als eine
    gewaltige Explosion das Gebäude erschüttert.
    Gleich darauf brechen Geschrei und Menschen-
    massen über uns herein. Lino ist wie versteinert,
    die Brille ganz vorn auf der Nasenspitze. Ich
    schiebe Serdj beiseite und renne auf den Gang. Der
    Chef krakeelt vom dritten Stockwerk herunter.
    Niemand beachtet ihn. Alles drängt mit verzerrten
    Gesichtern zum Hof, kalt läuft es uns über den Rü-
    cken.
    Draußen schickt sich ein fahler Himmel an, die
    Wolken wieder zusammenzuflicken. Auf der Stra-
    ße umringen Gaffer das Drama, ohne zu begreifen,
    was vor sich geht. Ein Auto brennt, die Räder in
    der Luft. Schwarze Rauchschwaden ziehen über
    die Fassaden. Verstümmelte Körper liegen blut-
    überströmt auf dem Asphalt.
    „Autobombe“, stammelt der diensthabende Poli-
    zist. „Der Junge ist durch die Luft geflogen wie ein
    brennendes Holzscheit.“
    Irgendwer brüllt nach einem Krankenwagen. Die
    Schreie holen uns in die Realität zurück. Die Leute
    wachen aus ihrer Betäubung auf, werden sich ihrer
    Wunden und des Grauens bewußt. Sofort bricht
    Panik aus. Innerhalb von Minuten verhüllt die
    Sonne ihr Gesicht, und die Nacht – finsterste Nacht
    – bricht am hellichten Vormittag über uns herein.

    Mina hat mir Zwiebelsuppe gemacht. Mein Lieb-
    lingsessen. Schweigend sitze ich am Tisch und
    starre auf meinen Teller, ohne ihn zu sehen. Der
    Gedanke an Essen verursacht mir Übelkeit. Kaum
    schließe ich die Augen, explodiert in meinem Kopf
    die Autobombe, und ihre Schockwelle schlägt mir
    erneut in die Magengrube.
    Ich weiß nicht mehr, wer mich nach Hause ge-
    bracht hat. Ich weiß nur noch, daß ich meinen Zas-
    tava nicht mehr starten konnte. Das Bild der zer-
    fetzten Körper, der Anblick des Kindes mit den
    verrenkten Gliedmaßen im Staub hinderten mich
    daran, klar zu denken.
    Ich habe eine Menge Toter während meiner ver-
    dammten Polizistenlaufbahn gesehen. Man stumpft
    mit der Zeit ab. Aber ein totes Kind, das ist was
    anderes. Darüber werde ich nie hinwegkommen.
    Mina war so lieb, mir keine Fragen zu stellen. Sie
    hat gelernt, mich im Unglück allein zu lassen.
    Meine Kinder sind im Wohnzimmer. Sie vermei-
    den es, sich an den Tisch zu setzen und ein Ge-
    spräch mit mir anzufangen. Sie kennen meine Ge-
    fühlsschwankungen nur zu gut und verübeln es
    mir, daß ich ihnen ihre seltenen Momente der Ruhe
    verderbe. Meine Tochter wird nervös, sobald ich
    auftauche. Wenn ich mich nur räuspere, duckt sie
    sich schon.
    Es gibt für mich nichts Schlimmeres als zu sehen,
    wie meine Kinder hochfahren,

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