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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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nach, seine Andersartigkeit jedoch
    nie.“
    Lino schiebt seine Brille nach oben und protes-
    tiert: „Unkultur? Warum sagst du Unkultur?“
    „Das kommt von einem bedauerlichen Verspre-
    cher. Es war vor sehr langer Zeit, als unser Urahn
    ein Buch schreiben wollte. Weil er mit leerem Ma-
    gen nicht denken konnte, veranstaltete seine Sippe
    ein sagenhaftes Festmahl für ihn, und er langte mit
    solchem Appetit zu, daß er im Moment, da er sich
    anschickte, mit seinem Manuskript zu beginnen,
    plötzlich ein heftiges Bedürfnis nach einer Siesta
    verspürte. Das Problem war nur, daß er Angst hat-
    te, seine Muse könnte beim Erwachen verschwun-
    den sein. Ein wahres Dilemma! Da erschien ihm
    unser aller Vater, der heilige Ziri. Der fragte ihn,
    was ihn denn quäle. Unser Urahn erklärte ihm, daß
    er gleichzeitig den Wunsch verspüre, ein Nicker-
    chen zu machen, und den unüberwindbaren Drang,
    seine Memoiren niederzuschreiben. Da rutschte
    dem heiligen Ziri, der zu seinen Lebzeiten ein gro-
    ßer Mäzen gewesen war, unglücklicherweise die
    Zunge aus. Statt ‚Schreib nieder!’ sagte er: ‚Kau
    wieder!’ – und seitdem haben wir nicht aufgehört
    wiederzukäuen.“
    „So eine Geschichte hat mir mein Großvater nie
    erzählt.“
    „Wie denn auch: mit vollem Mund kann man
    nicht reden. – Aber genug gelacht. Wie weit sind
    wir mit den drei Terroristen von gestern?“
    „Um die kümmert sich Serdj.“
    Jemand anderer hätte mich auch verwundert.
    Sein Büro liegt am Ende des Ganges direkt gegen-
    über den Toiletten. Es herrschen unerträglicher
    Qualm und Gestank. Man könnte es für das Labor
    eines zerstreuten Wissenschaftlers halten. Überall
    Papierstapel, Zigarettenstummel, die auf dem Fuß-
    boden verrotten, Aktenschränke, die dich mit offe-
    nen Armen empfangen, Schubladen, die dir die
    Zunge entgegenstrecken …
    Serdj ist die treibende Kraft im Laden. Er kann
    nicht nein sagen, wenn man ihn um etwas bittet.
    Die Kollegen, die gleichzeitig mit ihm begonnen
    haben, sind heute entweder Kommissare oder hohe
    Funktionäre. Er aber humpelt gutmütig durch sein
    zwölftes Jahr als Inspektor auf der unteren Etage.
    Weil er nachgiebig und unersetzlich ist, verweigert
    man ihm jeden Lehrgang und jedes Stipendium,
    beides Voraussetzungen für eine Beförderung, in
    deren Genuß freilich nur kommt, wer gute Bezie-
    hungen hat oder wen man loswerden will.
    Ich mache es mir auf einem Stuhl bequem und
    schlage die Beine übereinander. „Hat man die Ter-
    roristen identifiziert?“
    „Das Mädchen ist der Abteilung unbekannt. Ihre
    Fingerabdrücke haben nichts gebracht. Was den
    Rothaarigen betrifft, handelt es sich um Daho La-
    mine, 31 Jahre, ledig. Sein Vater ist so stinkreich,
    daß er sich Socken nach Maß machen läßt.“
    „Und der andere?“
    „Brahim Boudar. Siebenunddreißig Jahre. Ver-
    heiratet, geschieden. Arbeitslos. Fünf Jahre Ge-
    fängnis wegen widernatürlicher Unzucht mit Min-
    derjährigen. Zwei Jahre wegen absichtlicher Kör-
    perverletzung und schwerem Diebstahl. Neun Mo-
    nate wegen Drogenkonsums. Verletzt und festge-
    nommen im September ’93. 1994 aus Sidi Ghiles
    geflohen.“
    „Das ist alles?“
    „Brahim Boudar war einer der Hauptanstifter bei
    den Unruhen im Oktober ’88. Hat die Kaufhaus-
    brände auf dem Gewissen, die Galeries Algérien-
    nes in Kouba, den Souk El-Fellah von Chéraga und Boufarik.“
    „War er zu dieser Zeit ein Islamischer Bruder?“
    „Türsteher in einem Nachtlokal, dem Limbes
    Rouges.“
    „Interessant.“
    „Noch eine Kleinigkeit: Bei seiner Verhaftung im
    Oktober ‘88 war seine rechte Hand ein gewisser
    Mourad Atti.“
    Lino schlägt auf den Tisch: „Ich wußte, daß wir
    mit dieser Schwuchtel noch nicht fertig sind!“
    Mit erhobenem Finger bringe ich ihn zum
    Schweigen. Ich stehe auf, die Brauen zu einem
    Strich zusammengezogen.
    „Ich will Mourad Atti heute Punkt drei in mei-
    nem Büro.“
    Serdj verzieht das Gesicht.
    „Da gibt es einen Haken, Chef. Ich habe die Ty-
    pen vom BdS kontaktiert. Sie haben mir in aller
    Form versichert, daß der Knabe bis heute nicht bei
    ihnen aufgetaucht ist.“
    „Und die Überstellung?“
    „Fehlanzeige. Das BdS erinnert sich nicht, irgend
    jemanden mit der Überstellung des Verdächtigen
    betraut zu haben. Die beiden Typen, die ihn abge-
    holt haben, waren falsch. Der Direktor hat sich
    hineinlegen lassen.“
    „Wo ist er dann?“

    * * *

    „Da ist er, Kommissar!“ Ein Gendarm führt mich
    durch die

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