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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Soldatenstiefel, noch mit dem
    Fuß darin, der über dem Knöchel abgerissen war. Ich sprang
    auf, bog in den Weg ein und mußte stehenbleiben, um mich zu
    übergeben. Meine Beine trugen mich nicht mehr, und ich fiel
    zwei- oder dreimal hin, während hinter mir der Lärm der
    Flugzeuge verhallte; jetzt hörte man deutlich, wie die
    Menschen schrien, weinten, beteten und Befehle zwischen den
    brennenden Lastwagen hin- und herflogen. In dem
    Augenblick, als ich mein Haus betrat, knallten zwei Schüsse
    im oberen Stockwerk, ganz kurz hintereinander.
    Zio Stefano – dachte ich – ist ins Haus eingedrungen und
    hat seine Rache zu Ende gebracht. Neben der Tür lehnte eine
    große Eisenstange, die wir sonst zum Verriegeln benutzten.
    Ich nahm sie und schlich die Treppe hinauf. Die
    Schlafzimmertür war offen, ein Mann stand direkt hinter der
    Schwelle, er hielt noch den Revolver in der Hand und wandte
    mir den Rücken zu.«
    Der alte Mann hatte die ganze Zeit über nie den Blick auf
    den Commissario gerichtet, aber jetzt sah er ihm ins Gesicht.
    »Finden Sie, daß ich wie ein Mörder aussehe?«
    »Nein«, antwortete Montalbano. »Und wenn Sie damit
    den Mann mit der Waffe in der Hand meinen, der im Zimmer
    stand – seien Sie beruhigt, das war eine Zwangslage, es war
    Notwehr.«
    »Wer einen Menschen ermordet, ist und bleibt ein
    Mörder, was Sie da sagen, sind die juristischen Formeln für
    hinterher. Was zählt, ist der Wille des Augenblicks. Und ich
    wollte diesen Mann ermorden, was auch immer er Lisetta und
    Mario angetan hatte. Ich hob die Eisenstange und versetzte
    ihm einen Schlag in den Nacken, mit aller Kraft und der
    Hoffnung, ihm den Kopf zu zerschmettern. Als er stürzte, gab
    der Mann den Blick auf das Bett frei. Da lagen Mario und
    Lisetta, nackt, umschlungen, in einem Meer von Blut. Sie
    mußten, während sie sich liebten, von dem Bombenangriff
    ganz nah beim Haus überrascht worden sein und hatten sich
    vor Angst so ineinander verschlungen. Für sie konnte ich
    nichts mehr tun. Für den Mann, der hinter mir am Boden lag
    und röchelte, vielleicht schon. Mit einem Fußtritt drehte ich
    sein Gesicht nach oben, er war ein Handlanger von Zio
    Stefano, ein Verbrecher. Systematisch schlug ich seinen Kopf
    zu Brei. Dann drehte ich durch. Ich wanderte durch die
    Zimmer und sang dabei. Haben Sie schon einmal einen
    Menschen getötet?«
    »Ja, leider.«
    »Sie sagen ‚leider’, Sie haben also keine Befriedigung
    darüber empfunden. Bei mir war es mehr als Befriedigung, es
    war Freude. Ich war glücklich, ich sang ja sogar. Dann fiel ich
    auf einen Stuhl, vom Grauen überwältigt, vom Entsetzen über
    mich selbst. Ich haßte mich. Sie hatten es geschafft, einen
    Mörder aus mir zu machen, und ich war nicht fähig gewesen
    zu widerstehen, sondern war sogar glücklich darüber. Das Blut
    in mir war vergiftet, obwohl ich versucht hatte, es zu reinigen
    – mit Vernunft, Erziehung, Bildung oder was Sie sonst wollen.
    Es war das Blut der Rizzitanos, meines Großvaters, meines
    Vaters, von Männern, denen anständige Leute im Dorf aus
    dem Weg gingen. Ich war wie sie und schlimmer als sie. In
    meinem Delirium glaubte ich dann, eine Lösung zu sehen.
    Wenn Mario und Lisetta weiter schlafen würden, dann wäre
    dieses ganze Grauen nie geschehen. Ein Alptraum, eine
    Horrorvision. Da...«
    Der alte Mann war wirklich am Ende seiner Kräfte,
    Montalbano fürchtete, er könne einen Schlaganfall erleiden.
    »Lassen Sie mich weitersprechen. Sie nahmen die beiden
    Leichen, brachten sie in die Höhle und legten sie dort
    zurecht.«
    »Ja, aber das sagt sich so leicht. Ich mußte sie einzeln
    hineintragen.
    Ich
    war
    erschöpft
    und
    buchstäblich
    blutgetränkt.«
    »Wurde die zweite Höhle, die, in die Sie die Toten
    brachten, auch zum Lagern der Schwarzmarktware benutzt?«
    »Nein. Mein Vater hatte den Eingang mit Steinen trocken
    zugemauert. Ich nahm sie heraus und tat sie am Schluß wieder
    an ihren Platz. Um sehen zu können, benutzte ich
    Taschenlampen, davon hatten wir viele draußen auf dem Land.
    Jetzt mußte ich noch die Symbole des Schlafes finden, die aus
    der Legende. Bei dem Krug und der Schale war es einfach,
    aber der Hund? In Vigàta war an Weihnachten des vorigen
    Jahres...«
    »Ich weiß«, sagte Montalbano. »Den Hund hat bei der
    Versteigerung jemand von Ihrer Familie gekauft.«
    »Mein Vater. Aber weil er meiner Mutter nicht gefiel,
    kam er in eine Abstellkammer im Keller. An diesen Hund
    erinnerte ich mich.

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