Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen
das Wort, das Sie einem Verbrecher gegeben haben, auf eine Ebene!«
Der Commissario senkte mehrmals den Kopf.
»Das stimmt! Das stimmt! Wie wahr Ihre Worte sind!«
»Also sagen Sie mir ohne Ausflüchte, warum Sie sich mit Sinagra getroffen haben! Ich will eine umfassende Erklärung!«
Jetzt kam die Hauptszene der Improvisation. Wenn der Questore anbiss, war die ganze Geschichte damit beendet. »Ich glaube, er will auspacken«, murmelte er leise.
»Hä?«, machte der Questore, der nicht das Geringste verstanden hatte.
»Ich glaube, Balduccio Sinagra trägt sich mit der Absicht auszupacken.«
Wie von einer Explosion genau an seinem Platz in die Luft gejagt, schoss Bonetti-Alderighi aus seinem Sessel und rannte keuchend ans Fenster und an die Tür, um beide zu schließen. Dann drehte er auch noch den Schlüssel um.
»Setzen wir uns hier«, sagte er und schob den Commissario zu einem kleinen Sofa. »Dann brauchen wir nicht so laut zu sprechen.«
Montalbano setzte sich und steckte sich eine Zigarette an, obgleich er wusste, dass der Questore zu spinnen anfing, richtige hysterische Anfälle bekam, wenn er nur einen Tabakkrümel sah. Doch diesmal merkte Bonetti-Alderighi es gar nicht. Verklärt lächelnd, mit verträumtem Blick, sah er sich umgeben von rauflustigen und ungeduldigen Journalisten, im Licht der Scheinwerfer und mit einem Knäuel von Mikrofonen, die sich seinem Mund entgegenstreckten, während er in brillanter Rede erklärte, wie er es geschafft habe, einen der blutrünstigsten Mafiabosse dazu zu bringen, mit der Justiz zusammenzuarbeiten. »Sagen Sie mir alles, Montalbano«, flehte er mit verschwörerischer Stimme.
»Was soll ich Ihnen sagen, Signor Questore? Gestern rief mich Sinagra höchstpersönlich an und sagte, er wolle mich sofort sehen.«
»Sie hätten mich wenigstens informieren können!«, tadelte ihn der Questore und wedelte mit dem Zeigefinger der rechten Hand in der Luft: du Schlimmer, du!
»Ich hatte keine Zeit, glauben Sie mir. Das heißt, nein, warten Sie -«
»Ja?«
»Jetzt fällt mir wieder ein, dass ich bei Ihnen angerufen habe, aber man sagte mir, Sie hätten zu tun, eine Konferenz, ich weiß nicht, irgend so etwas -«
»Kann sein, kann sein«, räumte der andere ein. »Doch kommen wir zur Sache: Was hat Sinagra zu Ihnen gesagt?«
»Signor Questore, aus dem Bericht wissen Sie bestimmt, dass es sich um eine sehr kurze Unterredung handelte.« Bonetti-Alderighi erhob sich, sah auf das Blatt auf dem Schreibtisch, kam zurück, setzte sich. »Fünfundvierzig Minuten sind nicht wenig.«
»Einverstanden, aber Sie müssen in diese fünfundvierzig Minuten auch die Hin- und Rückfahrt mit einrechnen.«
»Stimmt.«
»Also: Sinagra hat es mir eigentlich nicht offen gesagt, sondern vielmehr zu verstehen gegeben. Nein, noch weniger: Er hat alles meiner Intuition anvertraut.«
»Wie wir Sizilianer das so machen, nicht wahr?«
»Genau.«
»Könnten Sie versuchen, etwas deutlicher zu sein?«
»Er hat gesagt, dass er sich allmählich müde fühlt.«
»Das glaube ich. Er ist neunzig Jahre alt!«
»Eben. Er hat gesagt, die Verhaftung seines Sohnes und die Flucht seines Enkels seien kaum zu ertragen gewesen.« Der Satz hätte wirklich aus einem zweitklassigen Film stammen können, er war ihm gut gelungen. Doch der Questore schien ein bisschen enttäuscht. »Ist das alles?«
»Das ist schon wahnsinnig viel, Signor Questore! Überlegen Sie doch: Warum wollte er mir von dieser seiner Situation erzählen? Die verhalten sich doch, wie Sie wissen, stets äußerst vorsichtig. Ruhe, Geduld und Hartnäckigkeit sind geboten!«
»Gewiss, gewiss.«
»Er hat gesagt, dass er mich bald wieder anrufen wird.«
Aus seiner momentanen Verzagtheit fand Bonetti-Alderighi wieder zu seiner Begeisterung zurück. »Hat er das wirklich gesagt?«
»Sissignore. Doch große Vorsicht ist geboten, ein falscher Schritt würde alles zunichte machen, es steht sehr viel auf dem Spiel.«
Er ekelte sich vor den Worten, die ihm da über die Lippen kamen. Eine Ansammlung von Gemeinplätzen, aber das war die Sprache, mit der er in diesem Moment am weitesten kam. Er fragte sich, wie lange er diese Farce durchhalten würde.
»Natürlich, ich verstehe.«
»Wissen Sie, Signor Questore, ich wollte auch von meinen Leuten niemanden informieren. Undichte Stellen kann es überall geben.«
»Ich werde es ebenso machen!«, schwor der Questore und streckte eine Hand nach vorn.
Als ob sie in Pontida wären. Der Commissario erhob
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