Con molto sentimento (German Edition)
William gab vor mit den Wasserfontänen des Brunnens zu spielen. In Wahrheit schielte der Junge jedoch verdächtig oft zu dem Flügel, der neben den Notenpulten von Claude und den anderen stand.
»Ich dachte, du wolltest heute deine Sachen packen.« Federico erinnerte sich noch allzu gut an seine Tage als Student. Damals hatte er ja mit Claude ein Appartement im Wohnheim geteilt und Claude benötigte immer extra viel Zeit zum Koffer packen.
»Wollte ich auch«, gab Claude zu, »aber dann ist kurzfristig jemand ausgefallen und sie brauchten noch eine Geige. Ich lass mir doch das Geld nicht durch die Lappen gehen.«
»Was war jetzt mit Patrice und dir?« Dieses Thema brannte Federico seit Sonntag unter den Nägeln. Irgendetwas musste ja geschehen sein, auch wenn Federico es nicht so recht glauben wollte, dass die beiden miteinander geschlafen hatten.
»Du hattest recht, er ist total verschossen in mich«, eröffnete Claude und tat so, als ob dies für ihn eine wahre Offenbarung gewesen sei.
»Ich kann mich dunkel erinnern, dass ich dir das doch gesagt habe.«
»Schon, aber jetzt hat Patrice es selbst zugegeben.«
»Und?... William lass den Flügel in Ruhe!«, rief Federico seinem Neffen zu, der jetzt gerade versuchte den schweren Deckel anzuheben. Natürlich war er dafür noch viel zu klein und schwach.
Zerknirscht zog William wieder von dannen.
»Nach dem Club sind wir im Bett gelandet und ich habe ihm einen geblasen.«
Federico blickte hektisch um sich, ob sich auch niemand in ihrer Hörweite befand. Vor allem keine Kinder oder Gäste des Eiscafés.
»Einfach so, du hast ihm einfach so einen Blowjob gegeben?«, fragte Federico leise.
»Er hat danach gefragt«, Claude zog eine Schulter nach oben.
Federico lachte freudlos. Für Claude war es so einfach. »Siehst du es denn nicht, oder willst du es erst gar nicht verstehen? Für dich ist ein Blowjob so etwas Nebensächliches wie... wie...« Federico wedelte mit der Hand, ihm wollte kein passender Vergleich einfallen. »Auf jeden Fall nichts Besonderes. Patrice, denke ich mal, wird damit total überfordert gewesen sein. Wie hat er denn reagiert?«
Wieder zog Claude die Schultern nach oben. »Er ist eingeschlafen.«
»Hm, okay.« Das war nicht weiter überraschend. Federico gehörte auch zu der Sorte Mann, die nach dem Sex sofort und überall einschlafen konnten. Nicht wirklich überall, in einem Darkroom selbstverständlich nicht, aber sonst... »Wie hat er dann am Morgen reagiert?«
»Weiß ich nicht, ich bin vor ihm aufgewacht und duschen gegangen. Danach war er schon verschwunden.«
Federico glaubte sich verhört zu haben und blinzelte einige Male irritiert. »Und das findest du normal?«, meinte er sichtlich aufgebracht. Er würde Claude am liebsten an den Schultern packen und durchschütteln in der Hoffnung, dass es etwas gesunden Menschenverstand in dem Franzosen wachrief. »Hast du dich nicht gefragt, warum er verschwunden ist?«
»Ich dachte, er wollte sich nur frische Klamotten besorgen und bei seinen Eltern Bescheid sagen.« Für Claude klang dies wohl völlig plausibel und Federico musste zugeben, so ganz an den Haaren herbeigezogen war diese Erklärung auch nicht. »Ich habe ihm ja dann eine SMS geschrieben, ob er mit zu dir zum Frühstücken kommen möchte. Wie du gesehen hast, war er ja dabei. Also kann ihm meine Gesellschaft nicht so unangenehm sein.«
»Habt ihr darüber geredet?«
»Worüber?«, entgegnete Claude treudoof und Federico konnte nicht glauben, dass er tatsächlich so verblendet war.
»Was ist mit dir los?«
»Ich verstehe dein Problem nicht Federico!«
»Und ich verstehe dich nicht Claude!«
Federico setzte sich zurück, überschlug die Beine und brütete vor sich hin. Wie sollte er es Claude verständlich machen? Alexis könnte dies wahrscheinlich besser. Sein Geliebter war ja selbst eine Szeneschwester gewesen, als er damals mit Anfang Zwanzig in London in einer WG gleich in unmittelbarer Nähe der Old Compton Street, dem Mittelpunkt der Londoner Schwulenszene, gelebt hatte. Was hatte Alexis bewogen seinen ausschweifenden Lebensstil zu ändern? Alexis hatte bestimmt ähnlich viele Männer wie Claude gehabt während seinen wilden Jahren.
Vielleicht musste er es von einem anderen Standpunkt aus versuchen: »Glaubst du, dass es Patrice gegenüber fair ist? Er denkt doch jetzt mit Sicherheit, dass du ernsthaftes
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