Conan-Saga 11 - Conan der Abenteurer
Aquilonien geführt hatte, waren neunhundert Jahre vergangen.
Amalric mußte keine weiteren Fragen beantworten. Die Menschen zogen sich zurück, und Lissa zupfte ihn an der Hand. Er wandte sich ihr zu. In diesem Reich der Unwirklichkeit hielt sein Blick sich an ihrem Körper fest, der greifbar und von unbeschreibbarem Liebreiz war.
»Komm«, forderte sie ihn auf, »wir wollen essen und uns ausruhen!«
»Was ist mit den Leuten?« fragte er. »Möchtest du ihnen denn nicht von deinen Erlebnissen berichten?«
»Ihre Aufmerksamkeit erlahmt rasch«, erwiderte sie. »Sie würden eine kurze Weile zuhören und sich dann zurückziehen. Sie wissen ja kaum noch, daß ich fort war. Komm doch!«
Amalric führte Kamel und Pferd in einen Innenhof, wo das Gras hoch wuchs und Wasser aus einem zerbrochenen Brunnen in einen Marmortrog floß. Er machte die Tiere fest und folgte Lissa. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn über den Hof und durch eine Bogentür. Die Nacht war schon hereingebrochen. Am Himmel über dem Hof hoben sich einige Spitztürme von den glitzernden Sternen ab.
Mit einer aus langer Gewohnheit gewonnenen Sicherheit führte Lissa Amalric an der Hand durch eine Reihe dunkler Räume. Er fühlte sich nicht übermäßig wohl dabei. Der Geruch von Staub und Verfall hing in der fast greifbaren Dunkelheit. Manchmal schritt er über geborstene Fliesen, manchmal über zerschlissene Teppiche. Seine freie Hand berührte immer wieder zerbröckelndes Gemäuer. Gelegentlich leuchteten die Sterne durch ein eingefallenes Dach, dann erkannte er einen düsteren gewundenen Gang, dessen Wände mit verrottenden Wandteppichen behangen waren. Sie raschelten in sanftem Luftzug. Für ihn war dieses Geräusch dem Flüstern von Hexen gleich, und die Härchen im Nacken stellten sich ihm auf.
Schließlich gelangten sie in ein Gemach, das vom Sternenschein schwach erhellt war, der durch ein offenes Fenster fiel. Lissa hantierte einen Herzschlag lang im Dunkeln, ehe ein zartes Licht aufleuchtete. Es strahlte aus einer gläsernen Kugel und erhellte den Raum mit seinem goldenen Schein. Sie stellte diese Lampe auf einen Marmortisch und bedeutete Amalric, es sich auf einem Diwan mit weichen Seidendecken bequem zu machen. Aus einer verborgenen Nische holte sie Gefäße mit Wein und Speisen, die Amalric fremd waren. Es gab zwar auch Datteln, aber die anderen Früchte und Gemüse, deren Geschmack ihm fade erschien und kaum voneinander unterscheidbar, hatte er zuvor noch nie gekostet. Der Wein war angenehm auf der Zunge, doch nicht berauschender als Quellwasser.
Lissa hatte sich gegenüber von Amalric auf einer Marmorbank niedergelassen. Sie probierte von allen Speisen ein wenig.
»Was ist dies hier für ein Ort?« verlangte er zu wissen. »Du bist wie diese Leute und doch so anders.«
»Sie sagen, ich sei wie unsere Vorfahren«, antwortete sie. »Vor langer, langer Zeit kamen sie in die Wüste und errichteten diese Stadt mit den vielen Brunnen inmitten einer großen Oase. Die Bausteine lieferten ihnen die Ruinen einer noch älteren Stadt, von der nur der rote Turm erhalten geblieben war.« So leise war ihre Stimme bei den letzten Worten geworden, daß er sie kaum noch verstand, und er bemerkte, wie sie ängstlich durch ein Fenster blickte, durch das der silberne Sternenschein fiel. »Er war leer – damals.
Unsere Vorfahren, die Gazaler, lebten einst im Süden Koths. Sie waren bekannt als Gelehrte und Weise. Sie wollten, daß Mitra, den die Kothier längst verleugneten, wieder verehrt würde. Deshalb vertrieb der König sie. So zogen sie gen Süden. Viele waren Priester, Gelehrte, Mentoren und Männer der Wissenschaften. Ihre shemitischen Sklaven nahmen sie mit.
Sie erbauten Gazal in der Wüste. Aber als die Stadt fertiggestellt war, verweigerten die Sklaven ihnen den Gehorsam, obwohl sie nie schlecht behandelt worden waren. Sie flohen in die Wüsten und vermischten sich mit den wilden Stämmen. Schuld daran war etwas, das angeblich des Nachts zu ihnen gesprochen hatte.
Mein Volk lernte, Speisen und Getränke aus den wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln herzustellen. Wie sie das schafften, grenzt an ein Wunder. Als die Sklaven flohen, nahmen sie alle Kamele, Pferde und Esel mit sich, und so ward die Stadt von der Außenwelt völlig abgeschnitten. In Gazal gibt es noch Gemächer, in denen Karten, Bücher und Chroniken aufbewahrt werden, aber alle sind zumindest neunhundert Jahre alt, denn so lange ist es her, seit meine Vorfahren aus
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