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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Erzählungen erinnere – denen es übrigens auch nicht an Wiederholungen mangelte -«, sagte Dappa, »basierte ihre Ablehnung aber auf moralischen Gründen – und nicht auf der Monotonie der erzählten Geschichten.«
    »Wenn ich nichts anderes zu tun hätte, als zu sticken und zu baden, könnte ich mir auch irgendwelche hochtrabenden Gründe ausdenken.«
    »Mir war nicht klar, dass das Rudern eine solche Herausforderung für deinen Verstand darstellt«, konterte Dappa.
    »Bevor die suette anglaise mich von der Syphilis befreite, hatte ich überhaupt keinen Verstand. Wenn ich reich und frei bin, werde ich mir hundertundeinen Grund ausdenken, warum die Sklaverei schlecht ist.«
    »Ein einziger guter würde schon genügen«, sagte Dappa.
    Jack hatte das Gefühl, dass es Zeit für einen Themenwechsel war, und wandte sich Vrej Esphahnian zu, der in der Hocke gesessen, einen Strang spanischen Tabak geraucht und den Wortwechsel verfolgt hatte.
    »Oh, meine ist im Vergleich zu allen anderen banal«, sagte er. »Wie du vielleicht noch weißt, schickte mein Bruder Artan an verschiedene Adressen Briefe, in denen er um Auskunft über die Absatzmöglichkeiten von Straußenfedern bat. Was an Reaktionen kam, überzeugte ihn davon, dass unsere bescheidenen finanziellen Verhältnisse sich vielleicht verbessern ließen, wenn wir Handelsbeziehungen mit Nordafrika aufnähmen. Ich wurde nach Marseille geschickt, um das in die Wege zu leiten. Von dort versuchte ich, mich auf kleinen Küstenschiffen die spanische Balearenküste bis hinunter nach Gibraltar durchzukämpfen, was mir als guter Ausgangspunkt erschien. Allerdings hatte ich nicht bedacht, dass die spanische Küste von Valencia an abwärts von maurischen Piraten unsicher gemacht wird, deren Vorväter dereinst die Herren von al-Andalus waren. Diese Korsaren kannten die versteckten Buchten und Untiefen besser als...«
    »Schon gut, schon gut, das reicht, um mich davon zu überzeugen, dass es wirklich die übliche Galeerensklavengeschichte ist«, unterbrach ihn Jack, während er hinüber zur Reling ging und – sehr vorsichtig – seine Glieder streckte. Er nahm einen prall gefüllten Wasserschlauch und spritzte sich einen Strahl abgestandenes Wasser in den
Mund, dann stieg er auf die Bank, um den Felsen vor Malta zu betrachten, der ein paar Meilen nach steuerbord an ihnen vorbeizog. Ihm war gerade klargeworden, dass Malta eine sehr kleine Insel war und er sie anschauen musste, solange er die Möglichkeit dazu hatte. »Was ich wissen wollte, ist: Wie bist du auf meiner Ruderbank gelandet?«
    »Auf den verschlungenen Wegen des Sklavenmarktes kam ich nach Algier. Mein Besitzer erfuhr, dass ich außer zum Rudern noch zu ein paar anderen Dingen zu gebrauchen war, und ließ mich als Buchhalter auf einem Markt arbeiten, wo Korsaren ihre Beute verkauften und tauschten. Vorletzten Winter lernte ich dort Moseh kennen, der alles über den Markt für Termingeschäfte mit Tutsaklar -Lösegeld wissen wollte. Wir unterhielten uns mehrmals, und ich fing an, das Gerüst seines Plans zu begreifen.«
    »Erzählte er dir von Jeronimo und dem Vizekönig?«
    »Nein, das habe ich in derselben Nacht erfahren wie du.«
    »Was meinst du dann damit, dass du seinen Plan verstanden hast?«
    »Ich hatte das Grundprinzip verstanden: dass eine Gruppe von Sklaven, die jeder für sich genommen einen sehr niedrigen Marktpreis erzielen würden, vielleicht doch viel wert wären, wenn man sie geschickt zusammenstellte...« Vrej verlagerte sein Gewicht auf die ganzen Fußsohlen und blinzelte in die Sonne. »Es fällt mir nicht leicht, das in einer Bastardsprache wie dem Sabir zu formulieren, aber Mosehs Plan bestand darin, den Mehrwert unterschiedlicher Kernkompetenzen im Sinne einer Synergie praktisch zu einer Einheit zusammenzuführen, deren Ganzes mehr wäre als die Summe ihrer Teile...«
    Jack starrte ihn verständnislos an.
    »Auf Armenisch klingt es großartig«, seufzte Vrej.
    »Und wie kommt es nun, dass du im Bodensatz des Sklavenmarktes gelandet bist?«, fragte Jack. »Ich weiß, deine Familie war nicht die wohlhabendste, aber ich hätte gedacht, dass sie jeden Preis zahlen würde, um dich aus Algier freizukaufen.«
    Vrejs Gesichtszüge erstarrten, so als hätte er auf einem der Kliffs von Malta ein Medusenhaupt erspäht. Jack schloss daraus, dass die Frage nach armenischem Verständnis unhöflich gewesen war.
    »Macht nichts«, sagte Jack, »du hast recht, es ist völlig egal, warum deine Familie das

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