Confusion
fuhr an und löste in sämtlichen Kisten kleine, klirrende Lawinen aus.
»Ah«, sagte Eliza sichtlich zufrieden, »an Mauern und Geschützen gibt es dort keinen Mangel; und ich werde Gelegenheit haben, my Lord Marlborough einen Besuch abzustatten.«
»Stets zu Euren Diensten, Madame.«
Gresham’s College
10./20. JUNI 1692
Selbst Salomo hätte es, um den Tempel zu schmücken, nach Gold verlangt, wäre ihm nicht durch Wunder welches zuteil geworden.
DANIEL DEFOE, A Plan of the English Commerce
» Zu meiner Freude darüber, Monsieur Fatio wiederzusehen, gesellt sich Erstaunen über die Gesellschaft, in der er sich befindet!« So schwach dies war, es war noch das Beste, was Eliza einfiel, als Fatio in Begleitung eines Mannes mit langem Silberhaar in die Bibliothek kam – eines Mannes, der niemand anders sein konnte als Isaac Newton.
Es war selbst nach Gelehrtenmaßstäben ein gesellschaftlich unerfreulicher Vormittag gewesen. Eliza hielt sich seit vierzehn Tagen in London auf. Die ersten paar Tage hatte sie darauf verwendet, Kleider zu kaufen, eine Unterkunft zu finden, zu schlafen und zu erbrechen; denn sie war offensichtlich schwanger. Dann hatte sie Briefe an einige Londoner Bekannte geschickt. Die meisten hatten binnen eines Tages geantwortet. Fatios Botschaft war erst heute Morgen eingetroffen – man hatte sie ihr unter der Tür durchgeschoben, während sie über einem Nachttopf kniete. Angesichts dieser längeren Verzögerung hätte sie erwarten können, dass es sich um einen makellos aufgesetzten Brief, Ergebnis zahlreicher Entwürfe, handelte; aber sie war hastig auf ein aus einem Notizbuch gerissenes Blatt gekritzelt und hatte Eliza aufgefordert, sofort zum Gresham’s College zu kommen. Dies hatte Eliza unter beträchtlichen Umständen und Unannehmlichkeiten getan; dann hatte sie eine Stunde lang in der Bibliothek gewartet. Nun war Fatio endlich da, erhitzt und zerzaust, als wäre er gerade von irgendeinem Schlachtfeld herbeigaloppiert. Und er hatte diesen silberhaarigen Herrn im Schlepptau.
Ein paar Momente lang hatte Fatio zwischen den beiden gestanden und kalkuliert, was die Etikette erforderte; dann hatte er sich seiner Umgangsformen erinnert, sich vor Eliza verbeugt und auf Französisch gesagt: »Madame. Unsere Großtat in Scheveningen ist meinem Gedächtnis
niemals fern. Ich denke jeden Tag daran. Dies mag Euch zum Maßstab meiner Freude über das Wiedersehen mit Euch dienen.« Das war einstudiert, und er gab es zu hastig von sich, als dass es vollkommen aufrichtig wirkte; doch die Situation war schließlich auch kompliziert. Bevor Eliza antworten konnte, trat Fatio zur Seite und wies mit der Hand auf seinen Begleiter. »Ich stelle Euch Isaac Newton vor«, verkündete er. Dann, zu Englisch übergehend: »Isaac, es ist mir eine Ehre, dir Eliza de Lavardac, Herzogin von Arcachon und Qwghlm, vorzustellen.«
Fatio wandte kaum die Augen von Elizas Gesicht, während er diese Worte sagte und Eliza und Isaac knicksten bzw. sich verbeugten und Höflichkeiten austauschten.
Eliza mochte Fatio, doch nun fiel ihr wieder ein, warum ihr in seiner Gegenwart immer ein wenig unbehaglich zumute gewesen war. Nicolas Fatio de Duillier war stets ein Darsteller in einer italienischen Oper, die nur in seinem Kopf ablief. Die heutige Szene in der Bibliothek des Gresham’s College war als eine Art Standardsituation gedacht. Die von einem geheimnisvollen Brief hastig herbeizitierte Herzogin schäumt eine Stunde lang vor Ungeduld – die dramatische Spannung steigt -, schließlich, als sie gerade hinausrauschen will, rettet Fatio die Lage, indem er, von übermenschlichen Anstrengungen glühend, hereingestürmt kommt, und verwandelt die Katastrophe in einen Triumph, indem er den Meister persönlich mitbringt. Und in gewisser Weise war es ja auch dramatisch; doch was immer Eliza an echten Empfindungen hegen mochte, behielt sie für sich, und zwar nur deshalb, weil Fatio sie musterte, wie ein Verhungernder eine geschlossene Auster mustert.
Newton war hierhergeschleppt worden, das war deutlich zu erkennen. Doch sobald er Eliza im Fleische sah und sie etwas Konkretes für ihn wurde, war sein Widerwille vergessen und es ging nur noch darum, sich daran zu erinnern, weshalb man ihn hierhergebracht hatte.
Sie setzten sich an einen Tisch wie Studenten, alle auf der gleichen Sorte von Stühlen, ohne einen Gedanken an gesellschaftlichen Rang. Newton richtete den Blick auf einen kleinen Brandfleck auf der Tischplatte und
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