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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Verbrechen hatte sich nämlich blitzschnell durch die widerhallenden Galerien des Hospitals und aus seinen unzähligen Löchern nach vorne hinaus verbreitet, und (nach den Geräuschen zu urteilen, die von dort zurückkamen) hundert oder mehr arbeitslose Swapaks hatten sie als Signal aufgefasst, sich gewaltsam Zugang zu verschaffen und eine wilde Menschenjagd zu beginnen.
    Die Affen, Vögel, Eidechsen und anderen Tiere spürten, dass irgendetwas vor sich ging, und fingen an Lärm zu machen, was sich für Jack und Surendranath als Vorteil erwies. Der Banyan verirrte sich nach allerkürzester Zeit im Dunkel der Darmparasitenstation, aber Jack – der sich seit Wochen hier hinein- und hinausstahl – stürmte voran und hatte sie schon bald auf den Weg zu einem Ausgang gebracht; sie machten einen geordneten Rückzug durch den Affenraum,
wo sie im Vorbeigehen sämtliche Käfigtüren öffneten, was (gelinde gesagt) eine Ablenkung verursachte. Und diese Ablenkung entwickelte eine eigene Dynamik, denn die Affen waren klug genug, selbst ein paar Türen zu öffnen. Als erst einmal alle Primaten freigelassen waren, verteilten sie sich in die Nachbarstationen und begannen, weniger intelligenten Geschöpfen die Freiheit zu geben.
    Unterdessen wichen Jack und Surendranath zurück und schlugen einen wenig benutzten Weg hinter dem Käfig der Tigerin ein. Jack blieb einen Moment stehen, um sich zwei Brocken Raubkatzenkot zu schnappen.
    Dann waren sie draußen auf der Hauptstraße von Ahmedabad, die breiter war als die meisten europäischen Straßen lang. Zusammen mit seinem Blutverlust sorgte diese Weite jedes Mal dafür, dass Jack einen Moment lang die Orientierung verlor; hatte er seinen Weg zurück in die Stadt gefunden oder sich in irgendein entlegenes Ödland verirrt? Die Monsunregen waren vorbei, und dieser Teil von Hindustan hatte sich in eine Art Rinne verwandelt, durch die Mittelasien Luft, so trocken wie Kreide, entzogen wurde. Auf ihrem Weg herunter aus Tibet hatte die heutige Ladung Wind einen Abstecher durch die malerische Wüste Thar gemacht, eine ordentliche Menge Souvenir-Staub mitgenommen und sich auf eine Temperatur irgendwo zwischen der von Kamelatem und der eines Tandoori-Ofens aufgeheizt. Jetzt kam sie, einer wilden Flucht von Yaks gleich, die Hauptstraße von Ahmedabad entlang, eine eindeutige Antwort auf die Frage, warum Schah Jahan diesen Ort Guerdabad, die Wohnung des Staubs, genannt hatte.
    Dieser Ort war vor einiger Zeit von Schah Jahans Haufen – den Mongolen – erobert worden, und die Mongolen waren Mohammedaner, die es nicht weiter störte, wenn Jack eine Mücke tötete. Die Störung des öffentlichen Friedens war etwas anderes, und wenn randalierende Swapaks nicht als den Frieden störend galten, taten Dutzende von Affen, die auf die Straßen hinausströmten, manche den Arm in der Schlinge, andere auf Krücken daherhumpelnd, es ganz bestimmt – zumal wenn sie von einem Markt weiter oben an der Straße Wind bekamen und sich dorthin auf den Weg machten. Sie waren größtenteils Hanuman-Affen – wild herumfuchtelnde dünne Wesen mit Peitschenschwanz, die sich aufführten, als gehörte hier alles ihnen, was nach Auffassung der Hindus auch der Fall war. Allerdings mischten sich ein paar andere Primaten darunter (insbesondere ein Orang-Utan, der sich von einer Lungenentzündung erholte), die
den Hanuman den ihnen gebührenden Respekt versagten, und wie sie sich nun alle gegen den Wind in Richtung Markt vorkämpften und dabei auf allen vieren hüpften, auf zwei Beinen watschelten und die Fingerknöchel hinterherschleiften, auf gelähmten Füßen hoppelten, sich von Ästen stattlicher Mangobäume herunterschwangen oder in wilder Jagd über Dächer rasten, inszenierten sie eine Art Kasperletheater, bei dem sie sich gegenseitig Kokosnüsse zuschleuderten und drohend Stöcke schwangen. Die Nachhut bildeten eine vierhörnige Antilope, die mit sechs Hörnern zur Welt gekommen war, ein einhörniges Nashorn-Baby und ein Bhalu oder Honigbär, der, blind und taub, von dem Duft süßer Sachen auf dem Markt angezogen wurde.
    Zwei Rowzinder – mongolische Kavalleristen – mit Turbanen und Krummsäbeln und schwarzen, mit plattierten Nägeln beschlagenen Schilden, die an ihren muskulösen Armen baumelten, kamen herbeigeritten, um zu sehen, was hier los war. Im Handumdrehen waren sie von aufgebrachten Swapaks umringt, die ihnen ihre Version der Geschichte erzählten und verlangten, dass der Kotwal und sein Gefolge von

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