Confusion
Broach an der Narmada und Surat am Tapti haben sie mit Leichtigkeit erobert und mit großer Mühe gehalten. Doch südlich von Surat wird das hindustanische Binnenland vor dem westlich gelegenen Meer durch eine gewaltige Bergkette, die Ghats, geschützt, die den hinduistischen Widerstandskämpfern – den Marathen – jederzeit Zuflucht bietet, wenn sie den offenen Kampf gegen die Mongolen in der Ebene vermeiden wollen. So ist auch das Satpuragebirge bis in die Rajpiplahügel hinein mit Festungen der Marathen durchsetzt. Hin und wieder wagen die Mongolen sich dort hinauf und vertreiben
sie, denn diese Hügel gleichen aufgrund ihrer Lage einer Klinge an der Kehle des mongolischen Handels; bekanntlich kommen sämtliche Waren aus dem Westen in den Häfen von Daman, Surat und Broach an, und die Anführer der Marathen wissen sehr wohl, dass sie die Verbindungslinien dieser Häfen mit dem Norden durchtrennen können, indem sie aus ihren Festungen in den Rajpiplahügeln ausschwärmen, die Schluchten von Dharoli – wo wir uns im Augenblick befinden – hinabsteigen und die Karawanen angreifen, wenn sie die Narmada im Rücken haben. Surat ist verseucht mit ihren Gesinnungsgenossen, und du kannst sicher sein, dass ihre Spione mitbekommen haben, wie wir uns dort versammelten, uns auf dieser Straße vorausgeeilt sind und ihnen bereits von unseren Bewegungen Nachricht gegeben haben.«
»Können wir uns darauf verlassen, dass sie uns heute Nacht angreifen werden?«, fragte Jack.
»Nur wenn wir so dumm sind, bei Einbruch der Dämmerung am Südufer der Narmada anzukommen und uns bei Nacht an ihre Durchquerung zu machen.«
»Dann soll es genau so sein«, sagte Jack. »Schlaue Kriegslisten liegen weit über meinen Fähigkeiten, aber wenn reine Dummheit von mir verlangt wird, bin ich schier unerschöpflich.«
Jack ritt voraus, um das Schlachtfeld bei Tag zu sehen und die Söldner da zu postieren, wo er sie haben wollte. Mit Hilfe eines angeheuerten Führers fand er eine geeignete Stelle, um eine Durchquerung vorzutäuschen. Ein paar Meilen landeinwärts von dort, wo die Narmada sich zu ihrer Mündung verbreiterte, beschrieb sie ein Z, floss in einer hufeisenförmigen Schleife weiter, beschrieb ein S und nahm dann ihren Kurs gen Westen wieder auf. Genau zwischen dem S und dem Z lag eine pilzförmige Landzunge aus Kies und Sand, die sich nordwärts in das Hufeisen hinein schob und an ihrem südlichen Ende in die zwischen den beiden Flussbiegungen eingeklemmte Landenge überging. In jeder dieser Biegungen waren die Flussufer, die nur mannshoch über dem Wasser aufragten, aber steil und mit Gebüsch bedeckt waren, von der Strömung des Flusses unterhöhlt worden. Wer sich von Süden her dem Fluss näherte, wurde durch einen eine Viertelmeile breiten Engpass zwischen diesen Biegungen geschleust. Jenseits dieser schmalen Stelle wurde die Landenge breiter und flacher und fiel kaum merklich zum inneren Ufer des Hufeisens hin ab. Dort
war der Fluss breit und seicht und schien sich als Furt anzubieten; aber das war natürlich die innere oder konkave Seite des Hufeisens, und jeder, der sich mit Flüssen auskannte, würde davon ausgehen, dass das gegenüberliegende Ufer – die äußere oder konvexe Seite des Hufeisens – steiler war. Ein Blick hinüber zeigte Jack, wenn auch die Sicht durch Röhricht erschwert wurde, dass dem wohl tatsächlich so war. Wie sein einheimischer Führer ihm versicherte, konnten Kamele, Pferde und Ochsen sehr wohl das jenseitige Ufer erklimmen und so in den Norden Indiens gelangen, wenn sie nur an bestimmten, ihm bekannten Stellen, die er ihnen gegen Bezahlung preisgeben werde, durch den Fluss wateten. Lasttiere dagegen, die es an den falschen Stellen versuchten, müssten sich mühsam durchs Schilf vorwärtskämpfen, um dann vor einer Uferböschung zu stehen, die für sie zu steil sei.
»Ich werde euch den genannten Betrag zahlen«, versprach ihm Jack, »und ich werde ihn verdoppeln, wenn ihr mir erlaubt, euch ein paar Mal mit dieser Reitgerte zu schlagen.«
Letzteres erforderte eine langwierige und mühevolle Übersetzung, aber am Ende konnte man sehen, wie ein Ferang auf einem Pferd den armen Führer den ganzen Weg aus dem Hufeisen hinaustrieb, indem er wild auf ihn eindrosch und den armen Kerl wegen seiner Habgier verfluchte. Danach wendete er sein Pferd, ritt zurück zu der Furt und fing an, seinen Söldnern die Stellen zu zeigen, die ihm für eine Durchquerung am geeignetsten erschienen.
Ein
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