Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
Vom Netzwerk:
einen Teil seines Gewinns darauf verwendet, Gresham’s College zu bauen. Die Münze war seit über hundert Jahren von Hand zu Hand und von Geldbörse zu Geldbörse gegangen und hätte wahrscheinlich mehr Geschichten erzählen können als ein Schiff voller irischer Matrosen – und dennoch war sie nur ein winziges Stäubchen in dem Kehrichthaufen, der die englische Geldversorgung war. Diesen Kehricht zu nehmen und in den Rachen der Schmelztiegel zu schaufeln war in gewisser Weise monströs, wie die Verbrennung einer Bibliothek.
    Doch man stelle sich nur die glühenden Ströme vor, die über die Ränder jener Schmelztiegel schießen würden, wenn all das verunreinigte Silber gereinigt und verflüssigt und konfundiert würde und alle seine alten Geschichten sich als Rauchwolken verflüchtigten, die der Flusswind davontrug. Man stelle sich die glänzenden Münzen in jedermanns Börse vor – und wie Mrs. Bligh die Schulden aus ihrem Hauptbuch strich und ihre Schatulle zum Auffangbecken für das neue Geld wurde und überfloss, sodass sich schimmernde Rinnsale die Straße hinab zu den Kaffeehändlern am Fluss und von dort die Themse hinab ins Weite ergossen.
    »Uns bleibt keine Wahl«, verstand Daniel.
    »Uns bleibt keine Wahl. Der Papst hat alles Gold, alles Silber, alle Männer und die reichen Länder, wo die Sonne scheint. Wir können uns nicht lange gegen Spanien, Frankreich, das Reich, die Kirche behaupten. Nicht, solange die Macht einer Waage gleicht, mit unseren Reichtümern in einer Schale und denen unserer Widersacher in der
anderen. Was also sollen wir tun? Daniel, Ihr wisst, dass ich die Alchimie für Unsinn halte! Doch die Idee der Alchimie hat etwas; die Vorstellung, dass wir Gold erscheinen lassen können, wo vorher keines war, und zwar mittels hier oben ausgeheckter Listen und Machenschaften.« Er drückte die Spitze eines Zeigefingers leicht gegen seine Stirn. »Wir haben keine Minen, kein El Dorado. Wenn wir Gold und Silber wollen, dürfen wir nicht auf Schatzflotten aus Amerika hoffen. Doch wenn wir hier Handel treiben und die Bank von England aufbauen, dann werden wie durch Zauberei – oder Alchimie, wenn Euch das lieber ist – Gold und Silber in unseren Truhen erscheinen.«
    Kurzes Schweigen, um kalten Kaffee zu trinken. Dann bemerkte Daniel: »Ihr solltet Euch eine Seite aus Greshams Buch zu Herzen nehmen. ›Schlechtes Geld vertreibt gutes.‹ Wenn die neue Münze gut ist, wird sie die schlechte vertreiben, und zwar nicht nur von dieser Insel, sondern überall. Jedermann wird englische Guineen haben wollen, so wie man jetzt Stücke von Achten haben will. Die Nachfrage wird dafür sorgen, dass noch mehr Gold und Silber an unseren Ufern angeschwemmt wird, um im Tower geprägt zu werden, genau wie Ihr es voraussagt.«
    Roger nickte geduldig, als hätten er und der Junto dies alles längst ausgeknobelt – was der Fall sein mochte oder auch nicht -, doch Daniel fand es gleichwohl seltsam beruhigend und fuhr fort: »Auf die Gefahr hin, wie ein Parteigänger der Royal Society zu klingen...«
    »Das ist keine große Gefahr. Die Hälfte des Junto sind Fellows. Und alle sind Parteigänger von irgendetwas .«
    » Na schön, dann möchte ich anregen, dass Ihr die Leitung der Münze einem Naturphilosophen übertragt – nicht dem üblichen korrupten, versoffenen, opportunistischen Parteibonzen.«
    Dies rief ein rasches Kopfwenden vonseiten eines Gentleman hervor, der ein kurzes Stück hinter Roger stand und sich mit einem anderen Herrn unterhielt oder so tat. Daniel ging auf, dass er zu laut geredet hatte.
    Der Gentleman funkelte Daniel unter einer kupferfarbenen Perücke hervor an, einer Perücke neuen Stils, schmal, mit langen, weit den Rücken hinunterreichenden Löckchen. Die Perücke verriet, dass er wohlhabend, hochgestellt, doch kein Bewunderer der Franzosen war. Vermutlich war es ein Angehöriger der High Church, alter Geldadel, ein rückwärtsgewandter Anhänger der Monarchie – ein Tory, wie man diese Leute heutzutage nannte. Merkwürdig, dass er sich hier aufhielt –
Mrs. Blighs Kaffeehaus war ein beliebter Treffpunkt für Whigs. Aus diesem Grund hielt Daniel es für unwahrscheinlich, dass der Mann ihn zum Duell fordern würde.
    Roger hatte bemerkt, dass Daniel dies alles bemerkte, und so viel Instinkt besessen, sich nicht umzudrehen. Doch seine Augen huschten leicht nach oben zu einer Fensterscheibe knapp über Daniels Kopf, und er betrachtete einen Moment lang interessiert die Spiegelbilder, was

Weitere Kostenlose Bücher