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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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jetzt, warum Menschen, die unter dieser speziellen Form von Feigheit litten, Orten wie diesem zustrebten, auch wenn das College sehr schwere Zeiten durchmachte und einen dünnen Haferschleim auftischte, der sich kaum von dem unterschied, den es im Armenhaus gab.
    Als er sich nach Newton und Fatio erkundigte, wandten sich die Köpfe einem jungen Mann zu, der in der Nähe des unteren Tischendes saß – zu weit, als dass er sich mit ihm unterhalten konnte – und
Dominic Masham hieß. Für Daniel ließ das auf eine ganze Menge schließen, denn er wusste, dass die Mashams enge Freunde und Gönner von John Locke waren. Locke lebte, seit er zur Zeit der Glorreichen Revolution aus dem holländischen Exil zurückgekehrt war, auf dem Besitz der Familie in Oates. Daniel vermutete, dass Locke dort so etwas wie ein alchimistisches Laboratorium eingerichtet hatte, denn Newton und Fatio waren – genau wie Robert Boyle bis zu seinem Tod vor ein oder zwei Jahren – häufig zu längeren Aufenthalten dorthin gefahren. Die Mashams hatten viele Kinder, und Daniel nahm an, dass dieser Dominic eines von ihnen und als Protégé von Newton hier war.
    Man erklärte ihm, Newton, Fatio und Locke hätten allesamt bis gestern Morgen hier in Newtons (und ehedem Waterhouses) Wohnung verweilt; dann seien sie abgereist und hätten Masham zurückgelassen, um noch einige kleinere Arbeiten zu erledigen. Newton und Fatio seien zusammen nach Oates aufgebrochen. Locke habe, allein, die Barton Road genommen, die in grob südöstliche Richtung führe. Doch er habe kein Ziel genannt.
    »Ich bin direkt an ihnen vorbeigekommen«, bemerkte Daniel. Denn der Besitz der Mashams lag in unmittelbarer Nähe der Straße von London nach Cambridge etwa zwanzig Meilen nördlich der Hauptstadt. »Was hatten die drei vor?« Denn sie arbeiteten auch bei theologischen Projekten zusammen.
    Schon dass Daniel gefragt hatte, machte die Männer am hohen Tisch nervös.
    »Will sagen, welche anregenden Gespräche habe ich durch meine lange Abwesenheit von diesem Tisch versäumt? Drei solche Männer haben doch gewiss nicht schweigend hier gesessen.«
    Alle saßen ein paar Augenblicke lang schweigend da. Doch dann war das Essen glücklicherweise vorbei. Sie standen allesamt auf und gingen nach einem lateinischen Gesang im Gänsemarsch hinaus. Daniel folgte Dominic Masham über den Great Court und holte ihn hinter dem Haupttor ein, als er gerade die Pforte zu Newtons privatem Hof aufschloss. Masham hatte etwas Zerstreutes und Gehetztes an sich, was Daniels Absichten sehr entgegenkam. Er hatte eine Laterne, mit der er Masham ins Gesicht leuchtete.
    »Geht Ihr bald nach Hause, Mr. Masham?«
    »Morgen, Dr. Waterhouse, oder sobald ich gewisse...«
    Daniel ließ Mashams Verstummen zum peinlichen Schweigen anwachsen,
ehe er ruhig sagte: »Ihr beleidigt mich mit dieser affektierten Schüchternheit. Ich bin kein Mädchen, mit dem man kokettiert, Mr. Masham.«
    Dies hatte auf den jüngeren Mann die gleiche Wirkung wie ein Peitschenknall neben dem Ohr eines Pferdes. Er erstarrte und versuchte, eine angemessen blumige Entschuldigung zu formulieren, doch Daniel schnitt ihm das Wort ab. »Ihr habt den Auftrag, alles Notwendige für die Fortsetzung des Großen Werkes zusammenzubringen, das die Herren Newton, Locke und Fatio in Oates unternehmen. Dabei mag es sich um Bücher, Chemikalien oder Glasgefäße handeln – mir ist das gleich. Worauf es ankommt, ist, dass Ihr morgen nach Oates fahrt und Mr. Newton mit meinen besten Empfehlungen dieses Päckchen überbringen könnt. Es hat mich vorgestern in London erreicht. Leibniz hat es Newton geschickt.«
    Die Erwähnung des Namens Leibniz zauberte einen Ausdruck in Dominic Mashams aufgerissene grüne Augen.
    »Es besteht aus einem Brief und einem Buch. Der Brief ist einzigartig und wichtiger. Bei dem Buch handelt es sich, wie Ihr sehen könnt, um den Erstdruck von Leibniz’ Protogaea, und Ihr dürft es während Eurer Fahrt lesen; es wird Euch Dinge lehren, von denen Ihr noch nicht einmal geträumt habt.«
    »Und der Brief...?«
    »Betrachtet ihn als Angebot, als Versuch, den Bruch zu heilen, zu dem es 1677 in dieser Wohnung kam.«
    » Sir! Ihr wisst, was 1677 passiert ist!?«, rief Masham in einem Ton aus, der etwas Sehnsüchtiges hatte, was zu bedeuten schien, dass er es nicht wusste.
    »Ich war damals hier.«
    »Schön, Dr. Waterhouse, ich werde es nicht aus den Augen lassen, bis es in Mr. Newtons Händen ist.«
    »Die Zukunft der

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