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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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entdeckt hatte, die ewiges Leben verlieh. Eine plausible Vermutung – allerdings falsch. Jedenfalls befeuerte sie bis vor kurzem mein Interesse an der Alchimie.«
    »Und wodurch wurde dieses Feuer vor kurzem erstickt?«
    »Ich habe einen Waisen adoptiert.«

    »Oh.«
    »Es klingt abgedroschen, ich weiß. Den Tod zu besiegen oder sich einzubilden, man habe ihn besiegt, indem man Vater eines Kindes wird. Aber zuvor war das nicht möglich. Denn die gleichen Pocken, die meine Brüder dahinrafften, machten mich unfähig, eine Frau zu schwängern. Ich spreche hier nicht von den Beweggründen, die dazu führten, dass der Junge aus dem Waisenhaus in Versailles geraubt wurde, in dem Ihr ihn untergebracht hattet. Es waren, wie Ihr zutreffend gefolgert habt, abscheuliche Beweggründe. Ich hatte nicht die Absicht, den Jungen liebzugewinnen. Ich hatte nicht einmal die Absicht, ihn in meinem Hause wohnen zu lassen. Doch wie es sich ergab, tat ich beides – ließ ihn zuerst bei mir wohnen und gewann ihn dann lieb -, und im Lauf der Zeit wandten sich meine Gedanken immer seltener der Alchimie und dem verlorenen Gold des Salomo zu. Ich hatte ein halbes Jahr nicht daran gedacht, bis Ihr mich eben daran erinnert habt.«
    »Dann sind wir uns ungeachtet anderer Differenzen, die wir haben mögen, darin einig, dass wir es als Narretei ansehen.«
    »Aber nein, ich halte es nicht im Geringsten für närrisch«, sagte Lothar und zog die pockennarbigen Wölbungen hoch, auf denen einmal Augenbrauen gesprossen waren, »ich habe nur gesagt, dass ich nicht mehr daran denke. Ich bin bereit zu sterben. Und ob ich reich oder arm sterbe, kümmert mich nicht groß. Aber Ihr seid auf dem Holzweg, wenn Ihr glaubt, Ihr könnt mir Johann wegnehmen. Denn das wäre wahrhaftig eine Entführung; es würde ihm, und damit auch Euch, das Herz brechen.«
    »Was das angeht, bin ich keineswegs auf dem Holzweg. Ich weiß es, und zwar seit ich von dem Doktor erfahren habe, dass Johann als Euer Sohn aufwächst.« Eliza blickte auf, um es sich von Leibniz bestätigen zu lassen. Doch wie es schien, hatte der Doktor vor ein paar Minuten leise Caroline beiseitegenommen und war mit ihr in eine andere Ecke des Hofes gegangen, damit Eliza und Lothar ungestört miteinander reden konnten.
    »Sohn und Alleinerbe «, verbesserte Lothar sie, »obwohl ich ihm dank Eurer Intrigen nichts als Schulden werde hinterlassen können.«
    »Das ließe sich ändern.«
    »Warum ändert Ihr es dann nicht? Was wollt Ihr eigentlich? Weshalb seid Ihr hier?«
    »Ich möchte ihn sehen. Ihn in den Armen halten.«

    »Einverstanden! Von Herzen und mit Vergnügen einverstanden. Ihr könnt sogar bei mir einziehen, das ist mir gleich; Ihr seid willkommen. Aber Ihr könnt ihn mir nicht wegnehmen.«
    »Ihr seid nicht in der Position, Bedingungen zu diktieren.«
    »Närrin! Es sind nicht meine Bedingungen, und ich diktiere sie nicht! Es sind die Bedingungen der Welt. Ihr könnt dieser Welt gegenüber nicht zugeben, dass Ihr ein uneheliches Kind geboren habt. Ihr könnt es nicht einmal dem Jungen gegenüber zugeben – außer vielleicht, wenn er älter ist und in der Lage, dergleichen zu begreifen. Ihr könnt ihn mitnehmen und ihn den Jesuiten geben, die ihn zum Priester erziehen werden, der seiner Mutter vorwerfen wird, dass sie gesündigt hat. Oder Ihr könnt ihn in meiner Obhut lassen und ihn besuchen, wann immer Ihr wollt. In ein, zwei Jahren wird er alt genug sein, um zu reisen – er kann Euch inkognito in Frankreich besuchen, wenn Ihr möchtet. Er wird ein Baron und ein Bankier werden, ein Gentleman, ein Protestant und der klügste Gelehrte von Leipzig; aber er wird niemals Euch gehören.«
    »Ich weiß. Ich weiß das alles – weiß es schon seit Jahren.«
    Lothars verwüstetes Gesicht war schwer zu deuten, doch nun schien er aufgebracht oder verwirrt zu sein. »Nach alledem«, sagte er, »hätte ich nicht erwartet, dass Ihr ein so konfuser Mensch seid.«
    »Ach nein? Wie unvernünftig von Euch. Ihr kritisiert mich dafür, dass ich unvernünftig sei – dabei habt Ihr den Jungen geraubt, und zwar nicht aus Liebe zu ihm, sondern aus Hass auf mich und aus Gier nach alchimistischem Gold – nur um es Euch dann anders zu überlegen!«
    Lothar zuckte die Achseln. »Vielleicht ist das die wahre Alchimie.«
    »Ich wollte, diese Alchimie könnte auch bei mir ihren Zauber wirken und mich so zufrieden machen, wie Ihr es zu sein scheint.«
    »Eines kann ich Euch versichern«, sagte Lothar, »der Raub des

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