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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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reichte die Zeit.
    Nachdem sie die Grenze von Jacks ausgesaugtem Jagir überschritten hatten, befanden sie sich in einer durchaus freundlichen, aber gleichförmigen und monotonen Landschaft: Von Gräben durchzogene und bewässerte Felder wechselten ab mit Wäldchen, deren Bäume essbare Früchte trugen, und gelegentlichen Dschungelflächen, die Hügel, Täler und anderes nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung geeignetes Gelände bedeckten. Manchmal mussten sie solche Gebiete passieren; der Dschungel schien dann aus der Nacht auf sie zuzustürzen und sie zu umhüllen, und sie bewegten sich äußerst vorsichtig, denn sie rechneten damit, dass Würger sich von dicken Ästen über ihnen abseilten oder große, Menschen fressende Raubtiere aus dem Busch hervorbrachen. Sie mussten mehrere Flüsse durchqueren, was in diesem Teil der Welt bedeutete, zwischen Krokodilen hindurchzuwaten. An einer dieser Furten bemerkte Danny, dass sich ein Paar ziemlich großer Reptiliennasenlöcher an einen Jungen heranpirschten, der hinter der Hauptgruppe herzottelte, und entlud seine Pistole in diese grobe Richtung. Das hatte vermutlich keine Auswirkung auf das Krokodil, erschreckte den Jungen aber so, dass er sich beeilte, die Hauptgruppe einzuholen. An einer anderen Furt trug ein riesiges Krokodil einen ihrer Esel davon.
    Am nächsten Tag – oder besser am nächsten Abend – wachten sie auf und fanden sich in einem schwarzen Land mit schwarzen Menschen wieder. Es war ein langer Nachtmarsch gewesen, und ihre Körper hatten sich nach Schlaf gesehnt, ihr Verstand jedoch nicht. Als sie sich hinlegten, konnten sie die Erde, einem fernen Herzschlag gleich, unter sich pochen hören, denn dieser schwarze Boden war viel reicher an Salpeter als irgendein Gebiet in Jacks Jagir , und das Gebiet vor den Mauern dieser Stadt war mit Löchern übersät, in denen Menschen sich den ganzen Tag mit ihren Holzstößeln abmühten.
    So wie die Erde von dumpfen Schlägen, so war die Luft von seltsamen Schreien erfüllt: Alle Bauern, die auf den Feldern arbeiteten, brüllten alle paar Minuten »Popo!« Jack, Jimmy, Danny und Enoch setzten sich schließlich in den Schatten eines Baums, aßen Mangos,
die ihnen buchstäblich in den Schoß fielen, sprangen hin und wieder auf, um Scharen aufdringlicher Ameisen wegzuwischen, und schauten zu, wie diese schwarzen Hindus ihr Leben lebten. Ein kühler Westwind wehte über sie hinweg und brachte den Geruch von Salzwasser mit, denn mittlerweile hatten sie Hindustan fast vollständig von Osten nach Westen durchquert und näherten sich dem Arabischen Meer.
    »Diese Feldarbeiter da sind Cherumans – eine so niedere Kaste, dass sie einen Nayar auf eine Entfernung von vierundsechzig Fuß beschmutzen können«, erklärte Jack, »woraufhin der Nayar verpflichtet ist, sie zu töten und sich selbst anschließend in endlos langen und aufwändigen Riten zu reinigen. Damit sie also selbst dem Tod entgehen und den Nayars Unannehmlichkeiten erspart bleiben, brüllen sie andauernd Popo! , um Entgegenkommende wissen zu lassen, dass sie da sind.«
    »Du redest doch Blödsinn, Dad, wie immer«, sagte Jimmy, und aus seiner Stimme sprach ebenso viel Verachtung wie Zuneigung.
    Hinter der Straßenbiegung ertönte ein anderer Schrei: »Kukuya! Kukuya!« Kaum hatten sie das gehört, packten die Cherumans ihre Hacken, zogen sich von der Straße zurück und entvölkerten einen vierundsechzig Fuß breiten Streifen zu beiden Seiten davon. Und schon kam eine kleine Reisegruppe in Sicht, bestehend aus einer dunkelhäutigen Frau auf einem weißen Pferd, die von der Taille aufwärts bis auf ihren Goldschmuck nackt war, und ein paar Bediensteten zu Fuß.
    »Wenn das eine Nayar ist, lasst uns dahin gehen, wo die Nayars leben«, sagte Danny.
    »Was zum Teufel glaubst du denn, was wir die ganze letzte Woche gemacht haben?«
    »Gibt es da, wo wir hingehen, noch mehr wie sie?«
    »Ja, – sie haben dort das Sagen. Sie sind eine Kriegerkaste. Man kommt sich vor, als wäre man im St. James’s Park und glotzte die vornehmen Herrschaften an: hübsche Damen und Männer mit Schwertern – die nicht zögern, sie zu benutzen.«
    Nachdem die Sonne untergegangen war, schickte Jack seine Eskorte zu der Luxusbelagerung zurück. Den Rest der Nacht verbrachten sie dösend im Lager. Bei Tagesanbruch wurden sie durch einen Schreiwettkampf zwischen einem Cheruman, der vor einem vierundsechzig Fuß von der Stadtgrenze entfernten Felsblock stand, und einem Banyan auf der

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