Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
Vom Netzwerk:
anheizt.«
    »Was um alles in der Welt sollte ich wohl mit französischen Münzen anfangen?«
    »Sachen damit kaufen«, antwortete Roger, »und zwar in Frankreich.«
    »Wir befinden uns mit Frankreich im Krieg!«
    »Der in jüngerer Zeit sehr gemächlich vonstatten geht – eine einzige bedeutende Schlacht in den letzten zwei Jahren.«
    »Trotzdem – warum sollte ich dorthin fahren?«
    »Es liegt zufällig auf dem Weg nach Deutschland, und dort hielt sich Leibniz auf, als sich das letzte Mal jemand die Mühe gemacht hat nachzusehen.«
    »Es wäre klüger, Frankreich zu meiden.«
    »Aber sehr viel praktischer, sich unmittelbar dorthin zu begeben – denn es ist zufällig das Ziel Eurer Jacht.«
    »Nun habe ich also auch noch eine Jacht?«
    »Seht!«, verkündete der Marquis von Ravenscar. Daniel war gezwungen, den Kopf zu drehen und stromabwärts zu schauen. Mittlerweile hatten sie den Steelyard passiert und näherten sich den Old Swan Stairs, knapp oberhalb der London Bridge. Auf der anderen Seite der Brücke erstreckte sich der Pool, in dem über tausend Schiffe lagen.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich sehen soll«, beschwerte
sich Daniel. »Die Fischhändler?« Denn das war das Nächstgelegene entlang dem Azimut, den Roger nun mit heftigen, degenstoßartigen Handbewegungen andeutete.
    »Hol’s der Teufel«, sagte Roger, »sie liegt am Tower Wharf, Ihr könnt sie von hier aus nicht sehen, gehen wir hin und statten ihr einen Besuch ab.« Und er sprang aus dem Boot und stampfte die Old Swan Stairs hinauf davon, ohne dem Bootsführer Geld zu geben oder sich auch nur ein einziges Mal nach ihm umzublicken; dieser freilich schien vollkommen zufrieden. Roger musste eine Übereinkunft mit ihm haben, wie offenbar mit ganz London, ein paar Jakobiten ausgenommen.
     
    Vom Old Swan, wo sie einkehrten, um sich mit ein paar Pints aufzuwärmen, hätten sie eine halbe Meile weit die Thames Street entlanggehen und sich dann der langwierigen und komplizierten Aufgabe widmen können, sich durch des Towers Tore, Bastionen, Fußwege und Miniaturwohnviertel zu wühlen, die sich an denselben angelagert und ihn so schwer passierbar gemacht hatten wie von einem Gewächs befallene Herzklappen. Aber Roger hatte Lust, sich etwas an der Flussseite anzusehen, und so gingen sie nur so weit, dass sie um das Ende der Brücke herumkamen, und stiegen dann die terrassierte, rechtwinklige Bucht der Lion Stairs hinab, unterhalb des scheunenartigen Klotzes der Kirche St. Magnus Martyr, die Wren wiederaufgebaut hatte, ohne bis jetzt die Zeit gefunden zu haben, ihr einen Turm oder eine Spitze aufzusetzen. Ein weiterer Bootsführer erklärte sich bereit, sie von dort aus flussabwärts zu befördern. In weitem Bogen um das hoffnungslos überfüllte Billingsgate und die breite Sandbank vor dem Customs House herum hielten sie direkt auf den Tower Wharf zu. Dieser bot sich ihnen größtenteils als eine geradewegs aus dem Fluss ragende Mauer von einer Viertelmeile Länge dar. Doch hier und da zierten sie Kräne, Geschütze, eine winzige, mit Zinnen versehene Burg und andere Kuriositäten. Zwei Treppen und ein Tunnel mit gewölbter Decke waren in sie eingeschnitten, und der Bootsführer vermutete wiederholt, Roger habe eines davon zum Ziel; doch der Marquis von Ravenscar mahnte ihn, immer weiterzufahren, zum flussabwärts gelegenen Ende, wo zwei Briggs und ein Vollschiff am Kai festgemacht hatten. Daniel blickte instinktiv auf die kleineren und bescheideneren Schiffe, bis ihm einfiel, dass er sich in Gesellschaft von Roger befand; ab da hatte er nur noch Augen für das Aufwändige und Prächtige. Sie blickten am Bug des Dreimasters hoch. Die Galionsfigur
war außergewöhnlich. Nicht nur, weil sie mit Unmengen von Blattgold überzogen war – das war durchaus alltäglich -, sondern wegen der Bildschnitzerkunst. Es handelte sich um ein Gesicht, eingearbeitet in die Vorderseite einer knollenartigen Halbkugel, die mit größter Wucht vorwärtszusausen schien und einen riesigen, wirbelnden Schweif aus goldenen, silbernen und kupferfarbenen Flammen hinter sich her zog. Es war, wie Daniel aufging, die anthropomorphe Phantasie eines Kometen oder eines großen feurigen …
    »Meteor!«, verkündete Roger. »Oder Météore, wie ihr früherer Besitzer, Monsieur le Duc d’Arcachon, es aussprechen würde.« Dann, zum Bootsführer. »Fahre uns einmal daran entlang und zurück, und wenn Dr. Waterhouse mit seiner Inspektion fertig ist, werden wir über die Leiter

Weitere Kostenlose Bücher