Confusion
Seebestattung vorzunehmen. Und es war gut, dass sie das taten. Obwohl nämlich weiterhin Seetangwedel in den Wellen rund um den Rumpf der Minerva tänzelten, dauerte es, nachdem sie den Leichnam des Hugenotten über Bord geworfen hatten, noch einmal ganze zehn Tage, bis eindeutig Land in Sicht war. Sie befanden sich knapp unterhalb des neununddreißigsten Breitengrades, was bedeutete, dass sie Kap Mendocino verpasst hatten; den ungenauen Seekarten, die van Hoek in Manila gesammelt hatte, und den wenigen nicht besonders vertrauenerweckenden Erinnerungen von Edmund de Ath zufolge war das Land, das sie vor sich hatten, vermutlich Punto Arena.
Jetzt arbeiteten die sogenannten Freiwächter, die während der vergangenen Wochen tatsächlich die meiste Zeit frei gehabt hatten, Tag und Nacht, um die Minerva für eine Küstenfahrt in Schuss zu bringen. Die Anker wurden aus dem Laderaum heraufgeholt und an den Schiffsbug gehängt. Desgleichen wurden Geschütze heraufgehievt und auf ihre Lafetten gesetzt. Das Beiboot wurde wieder zusammengesetzt und auf das Oberdeck gebracht, ein Hindernis, aber ein willkommenes, für die Männer, die Wache hatten. Während solche Vorbereitungen getroffen wurden, konnte die Minerva sich nicht allzu sehr der Küste nähern, und deshalb ließen sie die entfernten Berge Kaliforniens backbords liegen und fuhren zwei Tage an der Küste entlang südwärts, wobei sie mit Netzen Seetang aus dem Wasser fischten und alles Mögliche damit ausprobierten, um ihn schmackhaft zu machen. Es gab deutliche Anzeichen für einen nahenden Sturm, aber wie es der Zufall wollte, fuhren sie gerade auf der Höhe der Einfahrt in die große Bucht von Kalifornien. Als der Wind anfing, heftig vom Pazifik her zu wehen, lenzten sie zwischen zwei mächtigen Vorgebirgen hindurch, die von goldenen, unter den Gewitterwolken einfallenden Sonnenstrahlen beschienen wurden. Nachdem sie auf Südkurs gewechselt hatten, konnten sie zwischen ein paar steil aufragenden Felseninseln navigieren und passierten eine Art Flaschenhals. Dahinter weitete sich die Bucht erheblich aus. Sie war von Salzgruben gesäumt, die sie an diejenigen von Cadiz erinnerte, obwohl diese hier natürlich von niemandem ausgebeutet wurden. An der tiefsten Stelle, die sie finden konnten, warfen sie Anker und machten das Schiff klar, damit sie das Ende des Sturms abwarten konnten.
Als der Himmel drei Tage später aufklarte, stellten sie fest, dass sie ihren Anker ein kleines Stück hinter sich hergezogen hatten. Aber nicht weit genug, um sie in Gefahr zu bringen, denn die Bucht hinter dem Goldenen Tor war groß. Ihr einer Zipfel erstreckte sich, so weit das Auge reichte, nach Süden und wurde rundherum von ansteigenden Hügeln begrenzt, deren Farbe gerade von grün zu braun wechselte. Die Besatzung der Minerva ließ sich nun auf ein seltsames Programm ein, kalifornisch zu essen: Als Erstes aßen sie die Algen, die in einiger Entfernung von der Küste schwammen, dann arbeiteten sie sich durch die Muschelbänke und die von Krebsen bewohnten Untiefen der Gezeitenzone hindurch, kauten Tunnel durch das niedrige Gebüsch, das sich an den Rand des Küstenstreifens klammerte, und begingen Massaker an Wild und Vögeln. Trupps zur Nahrungssuche fuhren einer nach dem anderen im Beiboot an Land, wo jeweils eine Hälfte von ihnen mit Musketen und Entermessern Wache schob, während die andere die Umgebung nach Nahrungsmitteln durchstöberte. Bestimmte Küstenabschnitte wurden von Indianern verteidigt, die über ihren Anblick nicht gerade erfreut waren, und es bedurfte einiges Experimentierens, um herauszufinden, wo sie sich aufhielten. Der gefährlichste Zeitpunkt waren die ersten fünf Minuten, nachdem das Beiboot an Land gezogen worden war; dann spürten die Männer zum ersten Mal nach vier Monaten festen Boden unter den Füßen, standen mehrere Minuten verdattert da und lauschten erstaunt dem Zwitschern der Vögel, dem Summen der Insekten und dem Rascheln des Laubs. Wie Edmund de Ath sagte: »Es ist, als wäre man ein neugeborenes Baby, das bisher nichts anderes kannte als den Mutterleib und plötzlich in eine ungeahnte Welt hineingeboren wird.«
Elizabeth de Obregon kam zum ersten Mal aus ihrer Kajüte, seit Jack sie in der Nacht, als die Galeone brannte, durchnässt und kalt vom Wasser des Pazifik dort hineingetragen hatte. Edmund de Ath machte mit ihr einen kleinen Spaziergang rund um das Poopdeck. Jack, der direkt unter ihnen auf seinem Bett lag, bekam zufällig einen
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