Coogans Fluch (German Edition)
Frischwasser versorgte.
Sie hatten vielleicht die Hälfte ihrer Arbeit geschafft, als Jonathans Vater ihn darum bat, den Braunen zu versorgen. Er selbst wollte zum Haus gehen und Wasser für sie beide holen. Jonathan war die Pause hochwillkommen und so hängte er dem Braunen den Futtersack um, setzte sich neben den Pflug und betrachtete die vorüberziehenden Wolken. Diese Tagträumereien, wie sein Vater diese Vorliebe nannte, beruhigte den Jungen fast genauso, als wäre Miriam bei ihm. Nur, wenn die Wolken von heftigen Winden über den Himmel gejagt wurden, befiel ihn eine unergründliche Schwermut, fühlte er sich eingeengt und wünschte sich nichts sehnlicher, als mit den Wolken in die Ferne zu ziehen. Frei wie ein Vogel.
So auch an diesem Tag. Wie zerrissene Betttücher flatterten die Wolken über Jonathan hinweg, und eine unergründliche Beklemmung griff nach seinem Herzen. Plötzlich durchriss das erschreckte und zugleich anklagende Geschnatter eines Eichelhähers die Stille, gefolgt vom Knall eines Schusses. Aufspringend blickte Jonathan in alle Richtungen, schon sah er zwischen den Bäumen des gegenüberliegenden Waldes ein Dutzend Reiter hervorsprengen. Jonathan glaubte in diesem Moment noch keineswegs an ein drohendes Unheil. Vielmehr starrte er zornig auf die Männer, die mit dieser sinnlosen Schießerei die wenigen Tiere der McLearys erschreckten.
Erst als er, zunächst ungläubig und fassungslos, mit ansah, wie die Männer zwei Ziegen und eine Kuh erschossen, die auf der Weide am Waldrand grasten, begriff er, dass etwas unglaublich Schreckliches geschah. Sein Blick fiel auf die Gestalt seines Vaters, der, bereits auf dem Rückweg zu ihm, kehrt machte, mit langen Schritten auf das Haus zueilte und aus Leibeskräften etwas brüllte. Es war ein ungleiches Wettrennen zwischen ihm und den herausstürmenden Reitern.
Auf halbem Weg sah Jonathans Vater ein, dass er zu langsam war und er rannte stattdessen zur Scheune, schnappte sich eine Axt und stürmte den Reitern entgegen. Im selben Moment tauchte Jonathans Mutter in der Tür auf. Sie hielt eine Schrotflinte in den Händen. Schon richtete sie den Lauf auf die vordersten Männer und ohrenbetäubend entlud sich die doppelläufige Flinte. Drei Männer rissen die Pferde zurück, dabei kamen zwei zu Fall, doch schien die Schrotladung aus dieser Distanz nicht viel ausgerichtet zu haben. Sofort sprangen die Männer auf und mit gezücktem Revolver rannten sie zum Haus. Jonathans Mutter hatte der Rückstoß der Flinte zu Boden geworfen und selbst aus der Entfernung war zu erkennen, wie benommen sie war, als sie versuchte auf die Beine zu kommen. Einer der gestürzten Männer schien am Bein verletzt, er humpelte und ihn erreichte Jonathans Vater als ersten. Mit einem Axthieb, spaltete er dem Mann den Schädel, aber schon waren die übrigen Reiter über ihm.
In dem Durcheinander von Pferden und Männern vermochte Jonathan nichts zu erkennen. Ein Schuss und das Durcheinander aus Pferden und Männern löste sich auf. Andere hatten bereits die Mutter erreicht und zerrten sie an den Haaren auf den freien Platz. Zwei Männer stürmten ins Haus, doch all das registrierte Jonathan nur am Rande. Er hatte vorerst nur Blicke für die reglos am Boden liegende Gestalt seines Vaters und vermochte nicht, die Augen abzuwenden. Die Axt noch immer in Händen, schien sein Vater mit grotesk verdrehten Beinen in den Himmel zu starren.
Erst der schrille, angsterfüllte Schrei seiner Schwester riss Jonathan aus seiner Erstarrung, erweckte ihn mit einem Schlag zum Leben. Seiner Brust entsprang ein tierisches Grollen, das nichts mit einem zehnjährigen Knaben gemein hatte, dann stürzte er den Männern entgegen. Er brannte vor Schmerz, Trauer, Wut und Hass, brannte lichterloh, drängte jede andere Empfindung aus seinem Bewusstsein.
Als die Fremden den unbewaffneten Knaben auf sich zustürmen sahen, brachen sie in grölendes Gelächter aus. Einer, offenbar der Anführer, sagte etwas, versetzte der kreischenden Miriam eine schallende Ohrfeige und schlenderte Jonathan entgegen. Vor Wut über die Misshandlung seiner Schwester rauschte Jonathan das Blut in die Schläfen und so schnell ihn seine Beine trugen, hetzte er dem Mann entgegen.
Seine Kumpane begannen derweil damit, unter Johlen und Lachen, ihre Hosen herunterzulassen.
Fast hatte Jonathan den Mann erreicht, eine kaum verheilte Narbe durchzog sein Gesicht. Frostige, graue Augen blickten Jonathan mitleidlos
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