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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ins kleinste Detail nachprüfen lassen.
    Jedoch würde die Vernunft vielleicht erst später zu ihrem Recht kommen.
    Carl entschloß sich, noch ein paar Fragen zu stellen, was ein weiteres Dienstvergehen war, da er den Verdacht der Firma indirekt verriet. Aber da er A gesagt hatte, sollte er lieber gleich die Gelegenheit benutzen, B zu sagen.
    »Eine sehr kleine Gruppe von Journalisten mit einer Vergangenheit bei Folket i Bild/Kulturfront sitzt heute so wie du in einflußreichen …«
    »Ja, ich weiß«, unterbrach ihn Ponti, »und ich weiß auch, was für eine intelligente Theorie ihr darüber habt, da der Briefträger sogar in Expressen von unserer Verschwörung gefaselt hat. Ein Glück für ihn, daß ihn niemand so recht verstanden oder begriffen hat, welche Leute er meinte.«
    »Nun, und wie sieht es wirklich aus?« Ponti seufzte.
    Ihm zufolge war die Erklärung ziemlich einfach. Ende der sechziger Jahre hätten viele Studenten nach einem Einstieg in den Journalismus gesucht. In einem früheren oder auch späteren politischen Jahrzehnt hätten sie in der Industrie, der Wissenschaft oder an der Börse statt im Journalismus Karriere gemacht. Oder, anders gesagt, damals seien »alle« Angehörigen der studentischen Linken Journalisten gewesen. Sie hätten ja alle irgendwelche Flugschriften und Memoranden verfaßt, und das Schreiben sei nun mal die einfachste und natürlichste Form des studentischen politischen Kampfes. So fange es auch bei vielen Journalisten an. Man schreibe, um die Welt zu verändern, um »das Bewußtsein der Massen zu wecken« oder um zumindest ungerechte Gesetze zu bekämpfen.
    Aber da in diesen Jahren so gut wie »alle« in einem gewissen Sinn Journalisten wurden, gab es unter all diesen Studenten eine bestimmte Zahl hochbegabter junger Leute, die normalerweise einen völlig anderen Beruf ergriffen und sich darin bestens behauptet hätten. Wenn man etwa den Moderator von Studio S betrachtete, der hätte in den siebziger Jahren als Strafrechtsdozent weitergearbeitet, der USA-Korrespondent und spätere Auslandschef von Rapport wäre Professor der Volkswirtschaft geworden, der Mann vom Malmö-Magazin wäre den gleichen Weg gegangen wie der Kollege von Studio S, wenn er in den achtziger und nicht in den sechziger Jahren mit dem Studium begonnen hätte. Ponti selbst hätte »normalerweise« etwa Manager werden können.
    Beim Fernsehen und beim Rundfunk waren all diese Leute allmählich und völlig unabhängig voneinander eingestellt worden; sie hatten sich in ihrem Metier schon vorher durchgesetzt, und einige besaßen noch weitere, für den Journalismus ungewöhnliche Qualifikationen.
    Es war tatsächlich eine unerhört komische, ironisch komische Verschwörungsidee, die der Briefträger in Expressen lanciert hatte, daß sie alle im Grunde keine Journalisten seien, sondern nur verkleidete Linksextremisten. Wer sich zu dieser Meinung verstieg, begriff nichts von Journalismus oder vom Konkurrenzkampf in dieser Branche, begriff nichts von der Linken der sechziger Jahre, begriff überhaupt nichts anderes als mathematische und personelle Zusammenhänge, etwa wer wen kannte.
    Carl und Ponti hatten inzwischen Gjörwellsgatan erreicht und standen so, daß das Verlagshaus von Dagens Nyheter/Expressen das Blickfeld beherrschte.
    »Dort oben aber«, nickte Ponti, »sind erst in den letzten Jahren ein paar Leute von der alten Linken gelandet, und das waren einige aus unserer B-Mannschaft.
    Soviel ich weiß, hat man die ganz schnell und leicht zu gewöhnlichen Skandalreportern umbauen können. Da oben sitzen drei oder vier alte Clartéisten und SKP-Leute und schreiben das Wort ›Terroristen‹ hin, wenn sie statt dessen Araber schreiben sollten. Das ist im Grunde ein größeres Rätsel als die Phantastereien des Briefträgers über mich und die Fernsehmoderatoren.«
    »Woher weißt du soviel über die Firma?« wollte Carl wissen. Er hatte das Gefühl, Ponti vom Thema Journalismus abbringen zu müssen, wenn die restliche Zeit nicht ausschließlich damit hingehen sollte.
    Denn obwohl Ponti mit ruhiger Stimme erzählte, spürte man die Vibrationen seiner verhaltenen Wut.
    »Die Firma?« sagte Ponti und machte den Eindruck, als sei er unsanft aus tiefem Grübeln gerissen worden. »Ach ja, die Firma. Weißt du, einmal liegt es natürlich an unserer harten Jugend, oder wie man das nennen soll, als wir kreuz und quer durchs Land gejagt wurden, als wären wir Verbrecher und Landesverräter. Aber außerdem habe ich im

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