Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...
entgegnete der
elegante Dandy. »Sind Sie Hafenarbeiter, Mr. Malloy?«
»Aye, Sir. Wenn ich Arbeit finde.«
Sean nahm zwei Münzen aus der
Rocktasche und bestellte zwei Whiskeys.
»Ich hatte Sie eingeladen«,
erinnerte Royce ihn sanft.
Sean fragte sich, was dieser Dandy
von ihm wollte. »Ich bezahle selbst, bis ich ich weiß, was anliegt«, erwiderte
er kühl.
Royce zuckte mit den Schultern. »Na
schön. Sie sind ein kräftiger Mann, Malloy. Haben Sie schon einmal auf einem
Schiff gearbeitet?«
Sean lachte bitter. »Aye. Auf der
Route um Kap Hoorn. Suchen Sie Seeleute, Mr. Royce?«
»Ja.«
»Wohin geht die Fahrt?« wollte Sean
wissen und stützte seinen zweiten Whiskey hinunter. Er brauchte dringend Arbeit
— aus seinem Zimmer war er schon hinausgeworfen worden, und er hatte keine
Ahnung, wovon er leben sollte, wenn die wenigen Münzen in seiner Tasche aufgebraucht
waren. Aber er blieb eigentlich lieber an Land, wo die Gewißheit bestand, daß
er ab und zu eine Frau haben konnte ...
»Nach Kanada«, antwortete Royce nach
einiger Überle gung.
Sean betrachtete sich im Spiegel
hinter der Bar. Er war ein gutaussehender Mann gewesen, aber wer würde das
jetzt noch sehen? Sein hellbraunes, früher lockiges Haar war verfilzt und ohne
Glanz. Seine braunen Augen lagen tief in ihren Höhlen, und sein markantes Kinn
verbarg ein ungepflegter Bart.
»Kanada ...« wiederholte er
nachdenklich.
»Ja.«
»Und danach?«
»Seattle. Port Hastings. Und
irgendwann hierher zurück.«
»Port Hastings? Wo liegt das denn?«
Royce lächelte. »In der Meerenge von
Juan de Fuca im Territorium von Washington. Es wird >Klein Sodom und
Gomorrha< genannt.«
Sean horchte interessiert auf. »Hat
die Stadt ihren Namen verdient?«
»Absolut. Ich zahle fünfzig Dollar
für die Fahrt nach Kanada; die Hälfte jetzt und den Rest, wenn wir in Port
Hastings sind. Was sagen Sie dazu, Mr. Malloy?«
»Einverstanden. Wann laufen wir
aus?«
»Morgen früh. Das Schiff ist die Jonathan
Lee.« »Aye«, antwortete Sean. Er hatte das Segelschiff schon am Hafen
gesehen.
Royce legte das versprochene Geld
auf die Theke. »Sorgen Sie dafür, daß Sie bei Tagesanbruch an Deck sind«,
sagte er in warnendem Ton.
Sean nickte. »Sie können sich darauf
verlassen.«
Als Royce fort war, wurde Sean auf
einen großen blonden Mann aufmerksam, der lachend die Angriffe zweier Frauen
abwehrte.
»Pah!« bemerkte der alte Matrose,
der neben Sean an der Bar hockte.
»Der braucht sie nicht mal zu
bezahlen. Es heißt, sie bezahlen ihn!«
Sean bestellte noch zwei Whiskey.
»Wer ist er?«
Der Matrose drehte ein Messer mit
perlmuttbesetztem Griff in der Hand. Auf einen warnenden Blick des Barkeepers
hin steckte er es wieder ein. »Jeff Corbin — Kapitän der Sea Mistress.«
Der Name Corbin sagte Sean nichts,
aber da er nichts anderes zu tun hatte, hörte er zu, als der alte Seemann
fortfuhr: »Es wird erzählt, eine rothaarige Ärztin hätte ihm das Herz
gebrochen.«
Sean versteifte sich. »Wissen Sie,
wie sie heißt? Die Ärztin, meine ich?« fragte er schroff.
»Ich würde es nie vergessen — ich
bin ihr einmal begegnet.«
Für einen Moment schien sich die Bar
um Sean zu drehen. Banner hatte er gesagt, sie wollte Ärztin werden. Es war
ihr größter Traum gewesen, und ihr ständiges Gerede darüber hatte Sean verrückt
gemacht. War es möglich, daß sie es geschafft hatte? Mit dem Geld, das sie für
seine Ergreifung bekommen hatte?
»Banner O'Brien«, murmelte er
sinnend. Malloy nannte sie sich bestimmt nicht mehr, oder? Nein, nicht nach
allem, was sie ihm angetan hatte.
Der Seemann wirkte enttäuscht.
»Woher wußten Sie das?«
Ohne ihn einer Antwort zu würdigen,
stand Sean auf und folgte Kapitän Corbin, der gerade den Saloon verließ. Auf
der Straße rief er ihn an.
Corbin drehte sich um. Er hatte
tiefblaue Augen, aber einen merkwürdig leeren Blick. »Ja?«
Sean fürchtete nur wenige Männer,
aber dieser mahnte ihn instinktiv zur Vorsicht. Er strahlte eine unglaubliche
Selbstsicherheit und Ruhe aus.
»Guten Abend«, grüßte Sean höflich.
Der Kapitän nickte nur. Ein
wachsamer Blick lag auf einmal in seinen Augen.
»Ein Mann dort drinnen erzählte mir,
Sie würden meine Schwester kennen.«
Corbin erwiderte nichts, aber er
ging auch nicht weiter. »Sie heißt Banner«, fuhr Sean vorsichtig fort.
Etwas blitzte in den blauen Augen
auf. Erkennen? Qual? Aber Corbin sagte noch immer nichts.
»Es kann sein, daß sie den Namen
ihrer Großmutter
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