Cryer's Cross
können es Marlenas Eltern oder Jacián machen? Ich sitze hier fest. Wenn sie es nicht schaffen, dann ruf mich an, ich laufe herüber und hole dich zu Fuß ab. Aber unsere Hilfskräfte machen die nächsten Wochen Überstunden, deshalb würde ich ihnen gerne etwas zu essen anbieten.«
»Schon in Ordnung, Mum. Ich bin sicher, dass sie mich bringen können. Bis gleich.«
Kendall legt auf. »Hm, sind deine Eltern bald zurück? Beim Auto von meiner Mutter ist die Batterie leer.«
»Sie kommen erst heute Abend wieder.« Marlena dreht sich um und ruft: »Jacián!«
»Nein, nein, schon gut«, wendet Kendall ein, »ich kann auch auf Hector warten.«
»Jacián!«, ruft Marlena wieder und sagt dann etwas auf Spanisch.
Einen Augenblick später kommt er ins Wohnzimmer. »Ich sage Grandpa, dass du das gesagt hast. Was willst du?«
»Beim Auto von Kendalls Mutter ist die Batterie leer, deshalb braucht Kendall jemanden, der sie nach Hause fährt. Außerdem hat Mama gesagt, du sollst mir etwas zu essen machen. Ich könnte sterben für einen Hamburger mit Pommes. Wann kriegt ihr hier endlich mal ein Fast-Food-Restaurant?«
Kendall schaut weg. »Tut mir leid, Jacián.«
Er schweigt einen Moment, und sie will seinen Gesichtsausdruck gar nicht sehen. »Okay«, sagt er trocken. »Bist du so weit?«
»Ja.« Kendall ist sich schmerzlich ihrer stinkenden, verschwitzten Sachen bewusst. Sie nimmt ihren Rucksack und ihre Fußballtasche und umarmt Marlena kurz.
»Auf Wiedersehen, Marlena. Ich hoffe, es geht dir morgen besser.«
»Kommst du wieder?«, fragt Marlena hoffnungsvoll.
»Ich … ich weiß nicht. Vielleicht.«
»Ich hoffe, du kannst kommen. Am besten schon morgen!«
Jacián öffnet die Haustür und läuft zur Scheune hinüber. Kendall folgt ihm und steigt ein, als er den Motor anlässt.
»Du stinkst«, bemerkt er naserümpfend.
»Vielen Dank«, entgegnet sie.
Sie fahren schweigend, doch dieses Mal ist Jacián wesentlich vorsichtiger. Kendall muss an die morgige Fahrt denken, und ihre Ängste setzen wieder ein.
»Kannst du mich morgen ein paar Minuten früher abholen?«
»Warum?«
»Ich … Ich bin nur gerne ein wenig früher in der Schule.«
»Ich bin ganz gerne erst in der Schule, wenn der Unterricht beginnt.«
Kendall spürt, wie ihr Stresspegel steigt. Ihre Gedanken spielen schon wieder verrückt, sie macht sich Sorgen, dass sie den Raum nicht so herrichten kann, wie er sein sollte, und dass sie sich nicht damit auseinandersetzen kann, Nicos leeren Platz zu sehen, bevor die anderen kommen. Sie beißt sich auf die Lippe und sieht aus dem Fenster.
»Na gut«, sagt sie. Sie wird damit fertig werden müssen.
Er wirft ihr mit gerunzelter Stirn einen Blick zu und konzentriert sich dann wieder auf die Straße. Kurze Zeit später biegt er in ihre Auffahrt ein, fährt vor das Haus und parkt neben Mrs Fletchers Auto. Er kurbelt die Fenster herunter, stellt den Motor aus und öffnet an einem kleinen Hebel die Motorhaube des Pick-ups.
Kendall sieht ihn an. »Was machst du denn da?«
»Kannst du bitte die Autoschlüssel von deiner Mutter holen?«
»Sie legt sie immer unter die Fußmatte.«
Jacián starrt Kendall an und schüttelt leicht den Kopf.
»An diesen irren Kleinstadt-Kram werde ich mich nie gewöhnen«, murmelt er. »Da, wo wir herkommen, wäre der Wagen in zehn Minuten geklaut.«
Kendall zuckt die Achseln. »Hier nicht.«
»Wahrscheinlich schließt ihr nachts auch nicht die Türen ab.«
Sie reißt die Augen auf. »Was meinst du denn damit? Natürlich schließen wir ab. Alle Türen. Also versuch es erst gar nicht.«
Jacián blickt sie prüfend an. »Ich meinte gar nichts damit.« Er steigt aus und holt ein Überbrückungskabel aus einer Werkzeugkiste, die auf der Ladefläche des Pick-ups steht. »Mein Gott, du nicht auch noch!«, bemerkt er enttäuscht.
»Nein, ich habe nicht gemeint …«
»Doch, hast du.« Er reißt die Motorhaube auf und bringt die Klemmen an der leeren Batterie an. Dann reicht er Kendall die anderen Enden. »Sie dürfen sich nicht berühren.«
»Das weiß ich, ich bin doch nicht blöd.« Kendall klemmt die schwarze und die rote Klemme an den richtigen Stellen der Batterie im Pick-up an. »Soll ich den Truck starten?«
»Ja.« Jacián steigt in Mrs Fletchers Auto.
Kendall lässt den Motor an, und als er gleichmäßig läuft, versucht Jacián, das Auto zu starten. Es klappt beim zweiten Versuch.
Zufrieden lächelt er. Dann steigt er aus und löst die Kabel in umgekehrter
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