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Cujo

Cujo

Titel: Cujo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Er schien kaum noch die Realität wahrzunehmen. Wenn er mit ihr sprach, rollte er mit den Augen und hatte einen ganz glasigen Blick. Seine Augen waren wie die eines Boxers, auf den eine ganze Serie von Schlägen niederprasselt, eines Boxers, der gleichzeitig mit seinem Mundschutz auch seine Fähigkeit, zusammenhängend zu denken, verloren hat und nur darauf wartet, daß der nächste Hieb ihn bewußtlos in den Ringstaub sinken läßt - diese Dinge erfüllten sie mit Entsetzen und riefen all ihre Mutterinstinkte wach. Tad war das Problem, Wenn sie ihn nicht bei sich gehabt hätte, wäre sie schon längst zu der Tür gerannt. Nur Tad hielt sie davon ab, denn ihre Gedanken kreisten immer wieder um die Vorstellung, daß der Hund sie zerfleischte und Tad dann im Wagen allein blieb.
    Und doch, bevor Cujo vor fünfzehn Minuten aufgetaucht war, hatte sie sich schon darauf eingestellt, zu der Tür zu rennen. Wie einen Film ließ sie diesen Vorgang in Gedanken immer wieder ablaufen, bis es ihr fast so vorkam, als hätte sie es schon getan. Sie würde Tad schütteln, damit er ganz wach wurde. Wenn es sein müßte, würde sie ihn sogar schlagen. Ihm sagen, daß er den Wagen nicht verlassen, ihr nicht hinterherlaufen durfte. Unter keinen Umständen, ganz gleich was geschieht. Sie würde vom Wagen zur Verandatür rennen. Den Knauf drehen. Wenn die Tür nicht abgeschlossen war, um so besser. Aber sie war auch auf die sehr reale Möglichkeit vorbereitet, daß sie abgeschlossen war.
    Sie hatte das Hemd ausgezogen und saß nun in ihrem weißen Baumwoll-BH hinter dem Steuer, das Hemd auf dem Schoß. Bevor sie loslief, wollte sie sich das Hemd um die Hand wickeln. Das war natürlich kein ausreichender Schutz, aber es war besser als gar nichts. Sie würde die Scheibe neben dem Türknopf einschlagen und nach innen greifen und die kleine hintere Veranda erreichen. Und wenn die innere Tür ebenfalls abgeschlossen war, würde sie auch damit fertigwerden.
    Irgendwie.
    Aber Cujo war wieder herausgekommen, und das nahm ihr den Schneid.
    Wird er wirklich hineingehen? schnatterte ihr Verstand. Es ist alles viel zu perfekt, nicht wahr? Die Cambers sind weg, und als gute Bürger haben sie daran gedacht, die Postzustellung aussetzen zu lassen. Vic ist weg, und die Chance ist gering, daß er vor morgen abend anruft, denn wir können uns einfach nicht jeden Abend ein Femgespräch leisten. Und wenn er anruft, wird er früh anrufen. Wenn niemand abnimmt, wird er vermuten, daß wir zu Mario essen gegangen sind oder uns viellekht irgendwo ein Eis genehmigen. Später wird er nicht mehr anrufen, weil er denkt, daß wir dann schlafen. Dafür wird er dann morgen anrufen. Der gute, rücksichtsvolle Vic. Ja, es ist alles einfach viel zu perfekt. Saß in der Geschichte von dem Fährmann auf dem Fluß Charon nicht ein Hund vorn im Boot? Der Hund des Fährmanns. Nennt mich einfach Cujo. Auf in das Tal des Todes.
    Geh rein, hypnotisierte sie stumm den Hund, Geh in die Scheune zurück, verdammt.
    Cujo bewegte sich nicht.
    Sie leckte sich wieder die Lippen, die sich fast so geschwollen anfühlten, wie die von Tad aussahen.
    Sie strich ihm das Haar aus der Stirn und sagte leise: »Wie fühlst du dich, Tadder?«
    »Pssst«, sagte Tad zerstreut. »Die Enten …«
    Sie schüttelte ihn. »Tad? Honey? Ist alles in Ordnung? Sag doch etwas!«
    Er öffnete ganz langsam die Augen. Er schaute sich um, ein verwirrter kleiner Junge, dem es zu heiß war und der sich schrecklich müde fühlte. »Mommy? Können wir nicht nach Hause fahren? Es ist so heiß …«
    »Wir fahren bald nach Hause«, tröstete sie ihn.
    »Wann, Mom? Wann?« Er fing kläglich an zu weinen.
    O, Tad, geh vorsichtig mit deiner Flüssigkeit um, dachte sie, du könntest sie brauchen. Daß man solche verrückten Dinge denken muß. Aber war die ganze Situation nicht auf lächerliche Weise verrückt? Allein der Gedanke, ein kleiner Junge stirbt an Wassermangel,
    (hör auf, er stirbt NICHT)
    und das keine sieben Meilen von einer größeren Stadt entfernt, allein dieser Gedanke war verrückt. ‹
    Aber die Lage ist nun einmal, wie sie ist, sagte sie sich energisch. Und mach dir nur keine ülussionen, Schwester. Dies ist ein Miniaturkrieg, und alles, was vorher klein schien, hat jetzt gewaltige Dimensionen angenommen. Der leiseste Lufthauch war ein Zephyr. Die Entfernung zur hinteren Veranda war eine halbe Meile durch Niemandsland. Und wenn du glauben willst, der Hund sei das Schicksal oder der wiederauferstandene

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