Dämonen-Spiele
Nada verspürte einen Anflug von Entsetzen, als sie es vor sich sah. Das Schiff war ja aus dem w i derwärtigen Holz des Heuchelbaums gefertigt! Kein Wunder, daß es so schlimm roch. Eine Aura der Unterdrückung umgab es; es war völlig unmöglich, in seiner Nähe Freude oder Freiheit zu em p finden. Es schienen keine Seeleute an Bord des schrecklichen Schiffs zu sein: ein Gespensterschiff ohne lebende Mannschaft. Aber wer hätte es auch an Bord ausgehalten?
»Sieht gut aus«, meinte Dug. »Dann gehen wir mal an Deck und löschen diese Schwenker.«
Das bedeutete, daß Nada es tun mußte, weil Dug nicht wirklich Teil dieser Szene war. Er war durch seinen Schirm geschützt.
Sie seufzte stumm und stieg in die Nußschale von einer Nu ß schale, die der Älteste ihnen zeigte. Sie setzte den Eimer zwischen den Knien ab und nahm die Ruder auf. Dann zog sie daran. Die Ruder waren schwer, aber ihr Zug war kräftig, und sie setzte das Boot in Bewegung. Der Älteste beobachtete, wie sie hinausfuhren. Nun war Nada allein, von dem Schirm einmal abgesehen.
»Mädel, du siehst wirklich großartig aus, wenn du dich so b e wegst«, meinte Dug, den Blick auf ihre Körperfront geheftet.
Als wenn nicht so schon alles schlimm genug wäre! »Warum ü bernimmst du nicht auch noch ein Ruder?« keuchte sie. Und weil sie doch eine Jungfer war, sprach sie den Rest ihres Gedankens lieber nicht laut aus: Und schiebst es dir irgendwo hin, wo es guttut. Ja, weil sie eine Prinzessin war, konnte sie es sich noch nicht einmal in allen Einzelheiten ausmalen, so frustrierend das auch war. Sie litt unter derselben Niedergeschlagenheit, die das Zensurenschiff über den Isthmus gebracht hatte, nur daß es für sie keine Lösung gab. Sie sehnte sich danach, wenigstens einmal aus ihrer Rolle fallen zu können, um etwas ganz und gar Unprinzessinnenhaftes zu tun.
In der Zwischenzeit verstärkte sich die gedrückte Stimmung um das Schiff noch. Es verbreitete eine Atmosphäre der Düsterkeit, des Hasses und des Abscheus.
Das Schiff war in zerstörerischer Absicht hier. Es wollte nicht nur alle Lebensfreude ausmerzen, sondern schlußendlich sogar das Leben selbst. Die totale Unterdrückung, bis selbst das Atmen u n möglich geworden war und die Opfer nur noch dahinsiechen und verfaulen konnten. Was für eine bösartige Fracht! Nada wurde immer kurzatmiger, und das lag nicht nur an der Anstrengung des Ruderns; ihr war, als würde eine niederdrückende Last auf ihr r u hen und ihr die Kraft und den Willen aus dem Leib pressen. Wie lange würde sie das noch durchstehen?
Das Ruderboot berührte die düstere Schiffshülle. »Schön, dann zurr mal das Boot fest und bring die Lösung hinauf«, wies Dug sie an. »Die Sache ist ja nicht annähernd so schwierig, wie ich erwartet habe.«
Nada versuchte, eine zornige Antwort hervorzupressen, doch die überwältigenden Dämpfe der Räucherschwenker gestatteten ihr gerade einmal das Atmen. Also nahm sie den Eimer in eine Hand und ergriff mit der anderen eine Strickleiter. Dann kletterte sie Sprosse um Sprosse hinauf, bis sie schließlich auf dem Deck stand.
»Großartig!« meinte Dug. »Was für ein alter Kahn das doch ist! Ich wünschte, ich hätte ein Modell davon.«
Nada dagegen wünschte sich lediglich, daß Dug körperlich hier sein könnte, um einmal am eigenen Leib die Auswirkungen dieses Fahrzeugs des Verderbens zu erleben. Sie schleppte sich über die dunklen Planken zu dem nächsten Schwenker. Es kam ihr vor, als würde sie einen Berg erklimmen; es wurde von Schritt zu Schritt mühsamer. Sie mußte die Beine durch einen unsichtbaren Sumpf zerren, der wie fauliger Schleim an ihr haftete. Mit jedem Atemzug schien sie einen großen Schwaden Dampf aufzunehmen, der ihr empfindlichstes Innerstes befleckte. Sie schloß die Augen und mühte sich weiter.
»Komm schon, Nada, du bist ganz dicht dran«, sagte Dug erm u tigend. »Nur noch ein paar Schritte, dann den Eimer heben, und ein wenig vom Inhalt hineinschütten.«
Nur noch zwei Schritte? Es hätten auch zwei ganze Welten sein können! Nada konnte kaum noch auf den Beinen stehen. Der G e stank des über ihr hängenden Schwenkers lähmte den letzten Rest ihrer Entschlußkraft, und sie begann zu stürzen. Der Eimer legte sich schräg. Im nächsten Augenblick würde sich die kostbare L ö sung über das Deck ergießen und wäre verloren.
Da wurde Nada samt Eimer von kräftigen Händen gepackt. »Komm schon, wir müssen es hinter uns bringen«, sagte Dug. »Wir
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