Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
Warum nicht auch einmal für einen freien Abend? Ich kenne viele Jugendliche, die sich gerne ein paar Euros dazuverdienen und bereit sind, auf die Kinder aufzupassen.
Hinreißende Augenblicke
In Familien mit halbwüchsigen Kindern herrscht viel Müdigkeit. Ist die Müdigkeit die Extrazugabe im Leben mit Kindern? Sozusagen das, was die Eltern umsonst bekommen, ohne eigenes Zutun? Es macht den Anschein - doch es muss nicht sein, dass die Müdigkeit sich in den Familien einnistet.
Sie breitet sich dann aus, wenn der Hormonhaushalt der Eltern auf Oxytocin verzichten muss, auf das Wohlfühl- oder Liebeshormon. Dafür, dass dieses Hormon wieder etwas häufiger zu fließen beginnt, sind die Eltern selber verantwortlich. Suchen wir also Orte und Zustände auf, wo dieses Hormon zum Zuge kommt!
Der Eltern neue Kleider
Hübsch und geschmackvoll gekleidete Mädchen und Jungen bevölkern meine Praxis. Manche davon könnte man sich gut in einem Katalog für Kindermode vorstellen. Die Kleiderfarben sind fein aufeinander abgestimmt, der Look ist pfiffig und fantasievoll. Keine Frage, ein sorgfältiges Mutterauge ist da am Werk, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Auch die Jugendlichen führen ihre Klamotten, oft Markenartikel, nicht nur vor, sondern unterstützen und betonen ihren modischen Stil mit passenden Accessoires in Form von Ketten, Ohrringen, Gürteln, Schuhen und Täschchen.
Die Mütter dieser modebewussten Kinder und Jugendlichen kommen oft abgekämpft und gehetzt daher. Da war keine Zeit und wenig Auge für das eigene Aussehen.
Es scheint den Müttern Spaß und Freude zu bereiten, die eigenen Kinder schön einzukleiden oder ihre Heranwachsenden in ihrem Modegeschmack zu unterstützen. Trotzdem will es scheinen, dass sich in den letzten Jahren auch da Werte seltsam verschoben haben. Auge und Geldbeutel öffnen sich bereitwillig für die »Performance« der Kinder. Doch wo bleibt die eigene Performance? Welches Welt- und Elternbild bauen Kinder auf, die mit dem Anspruch herumlaufen, immer das Neueste und Beste an Kleidung bekommen zu müssen, noch bevor die Eltern sich wieder einmal ein neues Kleidungsstück gönnen? Eine junge Mutter, deren Sohn regelmäßig wie aus dem Ei gepellt in die
Stunde kam, antwortete auf die Frage, wann sie sich denn das letzte Mal etwas Schönes gegönnt habe: »Ach, wissen Sie, das ist doch nicht wichtig, wie ich herumlaufe, da achte ich nun wirklich nicht drauf. Hauptsache, mein Sohn, also … wir haben einfach Spaß, ihm schöne Dinge zu kaufen, ihm steht einfach alles gut.«
Es geht nicht darum, dass Eltern viel Geld für Kleidung ausgeben, teure Markenklamotten tragen usw. Es geht darum, dass Eltern nicht aufhören, an sich und ihre eigene Ausstrahlung zu denken. Eine Mutter, die den ganzen Tag in einem schlabbrigen Pullover herumläuft und nur Ausschau nach schönen Dingen für ihr Kind hält, nimmt sich als Frau nicht mehr wahr. Der Umgang mit Kleidung, das ist das Entscheidende hier, ist oft ein Symptom. Und zwar ein Symptom für die Gleichgültigkeit im Umgang mit der eigenen Ausstrahlung. Bei ihren Kindern unterstützen die Eltern diese Ausstrahlung durch passende, oft liebevoll ausgewählte Kleidung. Ausstrahlung ist viel mehr als Kleider an einem Körper. Doch diese Kleider verstärken die Ausstrahlung. Sie demonstrieren, wie jemand mit dem umgeht, was ihm am nächsten ist, nämlich der eigene Körper. Der eigene Körper ist nicht das Transportmittel für Gedanken, Gefühle und Handlungen, auch nicht bloße Hülle für das eigentlich Wichtige, sondern unser Da-Sein.
Ein Paar kam regelmäßig in die wöchentliche Stunde. Irgendwann begann der Mann von seiner Tochter zu schwärmen. Wie viel Geschmack sie zeige, wie sie aus wenig Taschengeld viel mache. »Auch was die Kleidung anbelangt, einfach chic.« Seine Frau hörte ihm etwas erstaunt zu und meinte mit leicht amüsiertem Ton: »Was du plötzlich alles siehst... könntest du unserer Tochter ja mal sagen, die freut sich sicher darüber.« Das nächste Mal stand sie vor der Tür, zog den leichten Sommermantel aus und hervor kam ein leicht dekolletiertes Sommerkleid in einem warmen, leichten
Altrosa, das mich zweimal hinschauen ließ. Auch ihr Mann, der eben das Zimmer betreten wollte, blieb stehen, schaute. Sie lächelte, betrat als Erste den Raum. Er folgte ihr mit den Blicken, setzte sich an einen anderen Platz als sonst und schaute immer noch, als ob er sich vergewissern müsste, dass es seine Frau ist, die das
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