... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
ihm reden. Ich bin überzeugt, er wollte seinen Sohn endlich um Vergebung bitten für all die Fehler, die er begangen hat. Solch traurige, trostlose Augen wie die des todkranken Grafen habe ich nie zuvor in meinem Leben gesehen. Es tat mir in der Seele weh, wie er leiden musste. Er konnte einfach nicht sterben, wollte es nicht, bis er sein Gewissen erleichtert hatte. Manchmal schrie er die ganze Nacht vor Schmerzen. Matty jedoch kam nicht, um seinen Frieden mit ihm zu machen.“
„ Die Reisen auf den Schiffen seines Flottenbereiches dauern mitunter mehrere Wochen. Manchmal sogar Monate! Und unterwegs abzusteigen ist geradezu ein Ding der Unmöglichkeit. Für einen Kapitän sowieso“, versuchte Susanne aus einem unerklärlichen Impuls heraus, Matthias zu verteidigen. „Er konnte damals sicher nicht rechtzeitig hier sein. Ganz bestimmt wäre er sonst gekommen.“
Etwas anderes war für sie einfach nicht vorstellbar. S ogar ein emotionaler Holzklotz wie Matthias würde sich der letzten Bitte seines Vaters nicht verschließen. Er hatte seinen alten Herrn nicht gerade geliebt, derart hart und selbstsüchtig würde jedoch selbst er nie handeln. Dann sah sie die Trauer in Máires Augen, die ihr wie ein Messer ins Herz fuhr, und plötzliches Verstehen drückte ihr die Kehle zu. Sie schüttelte den Kopf und wartete vergeblich darauf, dass Máire ihr Recht gab.
„Genug geschwatzt! Wenn du möchtest, mache ich dich nach unserem Einkauf mit ein paar Leuten aus dem Dorf bekannt. Es ist immer von Vorteil zu wissen, mit wem man es zu tun hat und an wen man sich mit diversen Problemen wenden kann.“
„Oooh“, entfuhr es Suse voller Schrecken und es hörte sich an, als würde sie für einen Jodelwettbewerb üben, „eigentlich … also ich wollte … wollte …“
Was zum Teufel hatte sie gewollt?
„… meinen Eltern einen ersten Lagebericht abgeben. Genau! Vielleicht erwische ich sie sogar übers Telefon. Und Ean hat versprochen, mir den Park zu zeigen. Und die Ställe habe ich ebenfalls noch nicht gesehen. Das interessiert mich wirklich sehr.“
Hilfe! Seit wann stand sie auf Schweinemist und Pferdeäpfel, wo sie nicht mal den Unterschied zwischen Bullen und Ochsen kannte?
„Besser ein anderes Mal“, entschuldigte sie sich hastig und leerte ihre Tasse mit einem großen Schluck, bevor sie von ihrem Hocker sprang und mit fliegenden Haaren das Weite suchte.
8. Kapitel
Seit sie aus der Küche geflüchtet war, langweilte sich Suse in ihrem Zimmer beinahe zu Tode. In ihrer Verzweiflung begann sie schließlich, in den ungemein spannenden Lyrikbänden, die im Bücherregal standen, zu blättern. Als sie irgendwann, erschreckt vom Geräusch ihres eigenen Schnarchers, in die Höhe fuhr, wurde ihr klar, dass sie nicht ein einziges Wort verstanden hatte. Musste wohl Englisch sein. Das dritte Buch entpuppte sich als eine zweihundert Jahre alte, vermutlich kostbare Familienbibel, die in die Hand zu nehmen sie sich selbst beim besten Willen nicht durchringen konnte.
Leise fluchend – Als ehemalige Funkerin verfügte sie über einen Wortschatz, der salzig war wie das Meer, das sie einst als ihr Zuhause betrachtet hatte. – schwor sie sich, bei der nächsten Gelegenheit Clausings Bibliothek einen Besuch abzustatten. Wieso bloß war sie nicht eher auf diese Idee gekommen?
Nach einigen Rundgä ngen durch ihre Zimmer und einem Abstecher auf den Balkon kramte sie endlich Schreibpapier und Stift aus ihrer Reisetasche und begann mehrere Briefe an ihre Eltern und eine Freundin. Sogar Schubi, ihrem Kollegen aus der Nachrichtenzentrale des Seehafens, hatte sie während eines Anfalls von Sentimentalität versprochen zu schreiben, obwohl sie sich im Nachhinein nicht erklären konnte, womit er das verdient hatte.
Letzten Endes schickte sie die Post zerknüllt und wutentbrannt in den Mülleimer. Sie hatte kaum mehr als drei zusammenhanglose Sätze zu Papier gebracht.
Irgendwann klopfte eins der beiden Mädchen, deren Name ihr ebenso wenig einfallen wollte wie der der anderen Frau, zaghaft an ihre Tür und erkundigte sich nach ihren Wünschen.
Sie wollte bloß ihre Ruhe haben! War das denn so schwer zu akzeptie ren? Suse war sich vage bewusst, mit einer pampigen Antwort jemanden zu schikanieren, der sich nicht auf ebensolche Weise wehren durfte, und das ging ihrem Gerechtigkeitssinn dann doch gegen den Strich – wenngleich ihr Unmut diese Überlegung beinahe zur Bedeutungslosigkeit verblassen ließ.
Als sie daraufhin
Weitere Kostenlose Bücher