Dann eben nicht, Jeeves
Sir.«
»Heben Sie sich diese Geschichte für die langen Winterabende auf, ja?«
»Wie Sie wünschen, Sir.«
»Und außerdem glaube ich nicht, daß Ihr Vetter George so eine schüchterne Mimose war wie Gussie. Deswegen bin ich ja so überrascht, Jeeves – weil ausgerechnet Gussie mit demonstrativen Akten um sich wirft.«
»Sie dürfen nicht vergessen, Sir, daß Mr. Fink-Nottle sich in einem animierten Zustand befindet.«
»Da haben Sie recht. Er hat zur Zeit gewissermaßen Übergröße, wie?«
»Ganz recht, Sir.«
»Aber eins kann ich Ihnen sagen – er wird noch viel animierter sein, wenn Tuppy ihn erwischt. Wie spät ist es eigentlich?«
»Gleich acht Uhr, Sir.«
»Dann jagt Tuppy ihn jetzt schon seit zweieinhalb Stunden. Wir müssen diesen Unglücksraben retten, Jeeves.«
»Jawohl, Sir.«
»Es handelt sich schließlich um ein Menschenleben.«
»Sehr richtig, Sir.«
»Als erstes müssen wir ihn mal finden. Danach können wir dann weitere Pläne machen. Gehen Sie, Jeeves, und durchkämmen Sie die Umgebung.«
»Das wird nicht nötig sein, Sir. Wenn Sie bitte einen Blick hinter sich werfen wollen, können Sie Mr. Fink-Nottle unter Ihrem Bett hervorkommen sehen.«
Und was soll ich Ihnen sagen – er hatte recht!
Gussie kam tatsächlich wie beschrieben zum Vorschein. Er war über und über mit Staubflocken bedeckt und sah aus wie eine Schildkröte, die herauskommt, um ein bißchen Luft zu schnappen.
»Gussie!« rief ich.
»Jeeves«, sagte Gussie.
»Sir?« sagte Jeeves.
»Ist diese Tür abgeschlossen, Jeeves?«
»Nein, Sir, aber ich werde sogleich dafür sorgen.«
Gussie setzte sich aufs Bett, und einen Augenblick lang glaubte ich, gleich werde er die Hände vors Gesicht schlagen. Er wischte sich aber nur eine tote Spinne von der Stirn.
»Haben Sie die Tür abgeschlossen, Jeeves?«
»Jawohl, Sir.«
»Man kann nämlich nie wissen, ob dieser entsetzliche Glossop nicht auf die Idee kommt …«
Das Wort »zurückzukommen« erstarb auf seinen Lippen. Er hatte kaum ein »ts« hervorgebracht, als plötzlich jemand an dem Türknauf drehte und rüttelte. Er sprang vom Bett und stand für Sekunden da wie der gehetzte Hirsch auf dem Bild von Landseer, das bei meiner Tante Agatha im Eßzimmer hängt. Dann machte er einen Satz zum Schrank und war darin verschwunden, noch ehe man begriffen hatte, daß er dorthin gesaust war. Nicht einmal die Spätaufsteher, die noch den Zug um neun Uhr fünfzehn bekommen wollen, habe ich je so wieselflink rennen sehen.
Ich warf Jeeves einen Blick zu. Er zuckte leicht mit der rechten Augenbraue, was für ihn das Äußerste an Gefühlsausbruch ist, zu dem er sich hinreißen läßt.
»Was ist?« ächzte ich.
»Laß mich gefälligst rein!« brüllte Tuppy von draußen. »Wer hat diese Tür zugesperrt?«
Wieder verständigte ich mich mit Jeeves per Augenbrauen. Er hob eine Braue. Ich hob eine. Dann hob er die andere. Ich hob auch die andere. Dann hoben wir beide. Am Ende schien mir nichts anderes übrigzubleiben. Ich machte die Tür auf, und Tuppy kam hereingeschossen.
»Und was ist jetzt?« fragte ich so gelassen wie möglich.
»Warum war die Tür zugesperrt?« fragte Tuppy unwirsch.
Da ich inzwischen im Stirnrunzeln geübt war, runzelte ich ihn ein bißchen an.
»Kann man denn nicht mal ungestört sein, Glossop?« fragte ich frostig. »Ich bat Jeeves, die Tür abzuschließen, da ich im Begriff war, mich zu entkleiden.«
»Eine sehr windige Erklärung!« sagte Tuppy, und es könnte sein, daß er noch »Traun fürwahr« hinzusetzte. »Willst du mir vielleicht einreden, du hättest Angst, die Leute könnten in hellen Scharen hier hereindrängen, um dich in Unterhosen zu sehen? Du hast diese Tür nur zugeschlossen, weil du diese Ratte Fink-Nottle versteckt hältst. Der Verdacht kam mir schon, als ich vorhin wegging, und deshalb bin ich wiedergekommen, um mich umzusehen. Ich werde jetzt dieses Zimmer genau durchsuchen. Vermutlich steckt er in diesem Schrank. Was ist in diesem Schrank?«
»Mein Garderobe«, sagte ich, wieder mit einer gehörigen Portion Nonchalance, obwohl ich ihrer Wirkung nicht sicher war. »Die üblichen Bekleidungsstücke, die ein englischer Gentleman zu einem Besuch auf dem Lande mitnimmt.«
»Das ist eine Lüge!«
Nun, es wäre keine gewesen, wenn er sich mit seiner Frage ein bißchen mehr Zeit gelassen hätte, denn kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, als Gussie den Schrank verließ. Ich erwähnte bereits die Geschwindigkeit, mit der er
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