Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Schultern.
»Du liebst ihn«, stellt Nawal fest.
Wieder antworte ich nicht. Tief in mir drin vibrieren der gleichmäßige Rhythmus der Musik und meine Sehnsucht nach Miley.
»Ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann. Und ich weiß nicht, ob ich dir helfen will.«
Nawal schmiegt sich an mich, so nah, dass ihre Lippen meine Schläfen berühren.
»Aber warum hast du uns dann beim Wasserturm geholfen?« Nawal lacht ein kleines, weiches Lachen.
»Weil Miley dich liebt«, sagt sie.
Dann verändert sich ihre Stimme.
»Weil Kalo ihn zurückhaben wollte«, sagt sie, »und dazu hat sie dich gebraucht.«
Ich streiche mir die schweißverklebten Haare aus der Stirn. Wenn ich das Messer nicht bekomme, wie soll es dann Dusk schaffen? Er kann es nicht schaffen. Er weiß ja nicht einmal, ob Raguel es hat. Das weiß ich natürlich auch nicht. Aber das könnte Nawal zumindest herausfinden.
Nawal seufzt.
»Komm morgen wieder«, flüstert sie in mein Ohr, »sie werden mich schon vermissen.«
Sie steht auf und zieht mich hoch. Wir schieben den Vorhang zur Seite und treten vorsichtig hinaus. Die Musik hat sich verändert. Jetzt spielen sie nur noch Techno. Nawal hält mich an der Hand fest, in der anderen balanciert sie das leere Tablett. Wir tasten uns Richtung Ausgang, ich halte Ausschau nach dem Typ, den ich getreten habe, aber ich kann ihn Gott sei Dank nirgends entdecken. Doch plötzlich bleibt Nawal so abrupt stehen, dass ich in sie hineinlaufe. Sie dreht sich zu mir um. Im grellen Strobolicht sieht ihr Gesicht noch blasser aus als in Wirklichkeit.
»Raguel«, formen ihre Lippen.
22
Indie
I ch ducke mich auf das flache Dach, drehe mich zu Sams Laden um. Von diesem Eckhaus kann ich sowohl Sidneys Auto als auch den Laden sehen. Gespenstisch taucht der Mond die Umgebung in fahles Licht. Die Schatten der Häuser zeichnen auf dem Schnee seltsame Gestalten. Doch die einzige Gestalt, die mich interessiert, ist Lilli-Thi. Sie sitzt noch immer auf ihrem Motorrad, sie stemmt die Beine mit den festen Biker Boots in den Schnee und wendet ihren Blick nicht von dem dunklen Laden. Was ist, Lilli-Thi. Willst du nicht hinein? Nachsehen, ob noch irgendwo die Blätter liegen?
Wolken schieben sich vor den Mond, die plötzliche Dunkelheit verschluckt Lilli-Thi. Im nächsten Moment wird das Licht im Laden eingeschaltet und malt rechteckige Flecken vor das Motorrad in den Schnee. Lilli-Thi zieht sich den Motorradhelm über das Gesicht, als würde sie das orange Licht blenden, dann tritt sie gekonnt das Motorrad an und gibt im Leerlauf ein paarmal Gas. Das Grollen erfüllt unheimlich die Straße. Was hast du vor?
Sie rollt rückwärts auf die Straße hinaus, dann wendet sie und gibt Gas. Die Räder der Maschine drehen kurz durch, dann schießt das Motorrad die Straße entlang. Ich drücke mich noch tiefer auf das Dach, aber sie scheint nicht einmal zu ahnen, dass ich hier bin. Mit geschlossenen Augen lausche ich auf das sich entfernende Geräusch. Ich brauche ihr nicht nachzusehen, ich weiß, wohin sie unterwegs ist – Richtung Whistling Wing. Dawna … Aber gegen Kats und Miss Andersons Schutzkreis hat sie eigentlich keine Chance – weiß sie das nicht? Dawna ist also in Sicherheit. Sie muss in Sicherheit sein.
Das Geräusch eines anspringenden Automotors lässt mich die Augen öffnen. Ein schwarzer Leichenwagen schaukelt auf die Straße. Diego, er verfolgt Lilli-Thi.
Wieso ist sie nicht in den Laden gegangen?
Die Rücklichter des Leichenwagens verschwinden in der Dunkelheit, eine Weile bleibe ich bewegungslos auf dem Dach liegen. Die Kälte macht meinen Körper träge, mein Geist tut seltsame Dinge. Er springt in rasender Geschwindigkeit von einer Person zur anderen. Sam. Lilli-Thi. Shantani. Rag. Gabe. Pius.
Gabe. Gabe. Gabe.
Ich lasse Sidneys Wagen nicht aus den Augen, als könnte er mich jetzt retten. Wohin retten? Nach Whistling Wing ist gerade im Moment eine schlechte Idee. Zurück zu Diegos Laden? Das kommt für mich auch nicht infrage. Die Motorengeräusche sind schon längst verklungen, selbst New Corbie scheint die Luft anzuhalten. Zornig balle ich meine Hände zu Fäusten. Inzwischen bin ich so durchgefroren, dass ich mich steif und ungelenk fühle. Okay, sei ehrlich mit dir, Indie, denke ich. Du willst ihn sehen. Du willst ihn schlicht und ergreifend sehen. Es hat nichts mit den Koordinaten zu tun, nichts mit deinem Auftrag oder seinem Auftrag. Lilli-Thi wird darauf achten, dass er seine Rolle innerhalb der Engelsgruppe
Weitere Kostenlose Bücher