Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
allem–, und wir mussten uns einen Weg durchs Gedränge bahnen, um zu der Ecke zu kommen, in der die armen und gebeugten Massen versammelt waren. Viele hatten diesen Hof anscheinend zu ihrem vorübergehenden Zuhause gemacht. Es sah aus wie ein voll besetzter Campingplatz. Aber es gab etwas zu essen, und ich war erleichtert, dass diese Kriegsopfer versorgt wurden.
Wir stellten uns nach Lebensmitteln an, um keinen Verdacht zu erregen, und beobachteten währenddessen unauffällig das Gelände. Unsere Aufmerksamkeit richtete sich vor allem auf das Haupttor zum eigentlichen Schlossgebäude. Es war hermetisch bewacht, womit klar war, dass ein Sturm auf das Schloss wirklich lang und blutig gewesen wäre. Andere Soldaten bewegten sich ohne viele Fragen durch die Tür, und genau darauf hatten wir gehofft. Wir suchten uns eine einigermaßen abgelegene Ecke zwischen einem großen Zelt und der Mauer, duckten uns außer Sicht und ließen Imanuelle ihren nächsten Zauber wirken. Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Ein Kribbeln überlief mich, und die Umgebung verschwamm. Als ich meine Gefährten wieder klar sehen konnte, sah ich genau den Wachsoldaten ins Gesicht, die uns vorhin hereingelassen hatten.
„Ähm, Moment mal.“ Ich ging davon aus, dass ich jetzt auch wie einer der Soldaten am Tor aussah. „Meint ihr nicht, dass wir Probleme kriegen, wenn wir unseren Originalen in die Arme laufen? Warum habt Ihr uns nicht das Aussehen von x-beliebigen Unbekannten gegeben?“
„Weil man uns mehr Fragen stellen wird, wenn wir den anderen Wachen nicht bekannt vorkommen“, erklärte Imanuelle. Sie besah sich kritisch ihre Hände, und ein winziges Lächeln zeigte, wie stolz sie auf ihre Arbeit war. „Ich glaube nicht, dass die beim Tor ihren Posten so bald verlassen. Wir laufen ihnen schon nicht in die Arme.“ Sie sagte das sehr barsch, aber ich hatte das Gefühl, dass sie insgeheim dachte: Hoffe ich jedenfalls .
Alle hatten zu viel mit sich selbst zu tun, um zu bemerken, dass drei Bauersleute verschwunden waren und drei Soldaten wieder zum Vorschein kamen. Als die Flüchtlinge uns sahen, traten sie rasch beiseite. Diesmal ging es ohne Drängeln. Wir wussten alle, wie wir uns zu benehmen hatten. Wo unser Auftreten eben noch schwach und eingeschüchtert gewesen war, bewegten wir uns jetzt mit dem Selbstvertrauen und der Gelassenheit derjenigen, die hier das Sagen hatten. Wir gingen ohne Zögern zum Eingang des Schlossgebäudes, und die Wachposten ließen uns kommentarlos durch.
Drinnen wurde es ein bisschen komplizierter. Wir hatten ein paar Informationen über den Grundriss des Schlosses bekommen, aber wir wussten nicht genau, wo Jasmine festgehalten wurde. Wir konnten auch schlecht stehen bleiben und uns beraten. Wir mussten uns bewegen, als hätten wir ein klares Ziel; sonst würden wir auffallen. Soldaten und Diener eilten um uns hin und her, und wir folgten einigen den erstbesten Gang hinab. Kiyo, einfallsreich wie immer, hielt einen einzelnen jungen Soldaten an.
„He“, sagte er brüsk. „Uns wurde gemeldet, dass jemand versuchen könnte, die Schwester der Dornenkönigin zu befreien.“
Der Soldat riss die blauen Augen auf. „Was? Dann müssen wir Alarm–“
„Nein, nein“, unterbrach ihn Kiyo. „Behalte es für dich. Wir wollen keinen Verdacht erregen. Die Außenwache weiß Bescheid und passt auf. Wir müssen wissen, ob sie verlegt worden ist oder nicht. Es gab Gerüchte über eine Verlegung.“
Ich versuchte, mir nicht auf die Lippen zu beißen. Kiyo klang so, als ob er wusste, was er sagte, aber in diesem Moment stand alles auf der Kippe. Wir wussten ja nicht mal, ob sie überhaupt hier festgehalten wurde. Außerdem bestand die Möglichkeit, dass der Soldat gar nicht wusste, wo sie war, und wir dieses Spiel auch noch mit anderen spielen mussten. Je mehr Leute wir fragten, desto riskanter wurde unsere Mission.
„Nicht dass ich wüsste“, sagte der Soldat. „Sie ist immer noch im Verlies.“
Ich atmete erleichtert aus. Ich hatte schon fast damit gerechnet, dass sie in Cassius’ Schlafzimmer war. Das Verlies war auch nicht toll, aber, na ja… ich hatte sie anfangs auch nicht besser behandelt. Ich wartete, dass Kiyo nach weiteren Einzelheiten fragte– wie viele Wachen bei ihr waren, wo das Verlies lag und so weiter. Stattdessen nickte er dem Soldaten knapp zu und ermahnte ihn erneut, wachsam zu sein, aber sein Wissen für sich zu behalten.
„Wir brauchen mehr Infos“, zischte ich Kiyo zu,
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