Dark Village - Das Böse vergisst nie
leise.
„Riesenarschloch.“
„Warum denn?“
„Tja.“ Benedicte blieb stehen. Die eine Hand streckte sie mit gespreizten Fingern von sich, mit der anderen hielt sie sich den Bauch. Sie war kreidebleich. „Umph.“
Vilde grinste.
„Da kann jetzt wirklich nicht mehr viel kommen“, sagte Trine und verdrehte die Augen.
„Was hat sie denn immer mit Nick?“, fragte Nora.
Vilde zuckte die Schultern. „Weiß nicht.“
„Ummmmph“, machte Benedicte wieder. Dann rülpste sie laut, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und seufzte erleichtert. „Mann, das tat gut.“
Ihr rosafarbener Lippenstift war über die Mundwinkel verschmiert und sie hatte schwarze Ränder um die Augen. Sie sah aus wie ein verkaterter Clown.
„Pass auf, dass deine Eltern dich so nicht sehen, wenn du nach Hause kommst“, sagte Nora.
„Mama ist allein.“ Benedicte kicherte. „Und die is total feddisch.“
Die anderen wussten nicht, wo sie hingucken sollten. Allen war klar, dass Benedictes Mutter Probleme hatte und dass ihr Vater oft beruflich unterwegs war – zusammen mit Vildes Mutter. Sie arbeiteten gemeinsam bei einem Pharmakonzern, verkauften Arzneimittel an Arztpraxen und Krankenhäuser. Das war schon seit vielen Jahren so und nichts, worüber die Freundinnen miteinander sprachen.
An der alten Bushaltestelle, wo sie sich morgens vor der Schule immer trafen, blieben sie stehen.
„Bist du in Ordnung?“, fragte Nora Benedicte.
„Jaaaa.“ Benedicte ruderte mit den Armen. „Glaubsu ich bin totaaaal danehm, oder was?“
„Nein, nein“, sagte Nora.
„Schbin totaaaal in Ordnung. Schwar schon mal vieeeeeeeeel voller.“
Vilde und Trine hielten sich ein paar Meter abseits von Nora und Benedicte.
„Sehen wir uns morgen?“, sagte Vilde leise.
„Mmmm“, murmelte Trine.
„Dann checken wir die Viksveen. Das Haus.“
„Ah. Ja, klar.“ Trine nickte erleichtert.
„Ich sims dich an“, flüsterte Vilde.
„Ja.“
„Schbinweg!“ Benedicte hob eine Hand. „Gutbai!“
Die anderen lachten. Dann winkten sie, verabschiedeten sich und gingen nach Hause.
Es war zwei Uhr nachts und inzwischen Samstag.
Eine der Freundinnen hatte nur noch 17 Tage zu leben.
17 Tage vor dem Mord
Watching every motion
In my foolish lover’s game
On this endless ocean
Finally lovers know no shame
Turning and returning
To some secret place inside
Watching in slow motion
As you turn around and say:
Take my breath away
Take My Breath Away, Berlin
Coverversion: Jessica Simpson
1
Warum hat er mich nicht geküsst?
Es war Samstagvormittag. Nora stand nackt vor dem großen Spiegel im Badezimmer. Sie war mittelgroß. Sie hatte dunkles Haar und braune Augen.
Mit der einen Hand strich sie über ihren Körper. Sie atmete ein und hielt die Luft an und betrachtete sich von der Seite. Ganz schlimm war es nicht – wenn sie den Bauch einzog.
Sie atmete aus und beobachtete, wie sich ihr Profil im Spiegel veränderte.
Schrecklich! Sie war nicht dick, das wusste sie. Nicht
dick
dick. Aber dünn war sie auch nicht. Es wäre ja auch nicht schlimm, wenn ihr Körper eine anständige Form hätte. Sanduhrmäßig wie Marilyn Monroes oder üppig wie der von Synnøve Viksveen. Aber so war es nicht. Sie war einfach ein … Klops.
Ein Fleischklops, ein Pudding mit Armen und Beinen.
Nora seufzte, drehte dem Spiegel den Rücken zu und musterte über die Schulter hinweg ihren Hintern.
Warum hat er mich nicht geküsst?
Sie war braun. Ihr gefiel es, dass sie braun war. Im Sommer hatte sie oft in der Sonne gelegen. Irgendwie half es wenigstens ein bisschen. Ein paar von ihren Dellen, Grübchen und Flecken wurden dadurch vertuscht. Ja, es half, braun zu sein. Aber nicht sehr.
Warum hat er mich nicht geküsst?
Er war doch kurz davor gewesen, zwischen ihren Gesichtern waren nur noch ein paar Zentimeter Platz gewesen, aber dann hatte er plötzlich irgendwas gemurmelt, war von ihr abgerückt und gegangen.
Hatte ich Mundgeruch?
Nora atmete in die Hand. Ihr fiel nichts auf. Wahrscheinlich wollte er einfach keinen Pudding, keinen Klops? Keinen Fleischberg? Auch wenn sie noch so braun war.
Und was hatte die Sache mit Synnøve Viksveen zu bedeuten? Warum war er bei ihr zu Hause gewesen? Nora war sich sicher, dass der Schatten in Viksveens Wohnzimmerfenster Nick gewesen war. Sie hatte seine Tätowierung erkannt – ein rotes K mit schwarzer Umrandung – eindeutig.
Hatte er ein Verhältnis mit der Viksveen? Waren sie ein Paar?
Nora
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