Dark Village - Das Böse vergisst nie
dann kicherst du hier bloß rum.“
„Sollte ich mich lieber vor Schmerzen krümmen?“
„Ja, so etwas in der Art.“
„Vor Angst schreien?“
„Wie es sich gehört.“
„Sadistin!“, lachte Vilde.
Sie erreichten den Baumstumpf. Vilde drehte sich um und ließ sich langsam darauf nieder, während sie sich an Trines Nacken festhielt. Trine folgte ihr mit dem Oberkörper.
Ihre Gesichter waren ganz nah, Trines ein Stück oberhalb von Vildes. Vilde spürte ihren Atem auf der Stirn.
Sie bekam ihren Körper nicht unter Kontrolle. Sie erstarrte und konnte sich nicht mehr bewegen.
„Ah“, machte sie.
„Was ist?“, fragte Trine. „Ist es schlimmer geworden?“
„Nein, nein.“ Die Anspannung in ihrem Körper löste sich mit einem Mal wieder und sie setzte sich. Trine ging neben ihr in die Hocke. Jetzt waren ihre Gesichter auf gleicher Höhe.
Ihre Blicke trafen sich. Trine wollte so gerne etwas sagen wie:
Haha, geht’s jetzt besser?
Oder:
Gut, dann ruhen wir uns hier ein bisschen aus.
Aber sie hatte keine Chance. Da war kein Wort, kein Gedanke, nur Vildes unfassbar schönes Gesicht direkt vor ihr. Und jetzt kam es näher! Vilde lehnte sich auf dem Stumpf ein Stück nach vorn.
Oh Gott
, dachte Trine und schloss die Augen. Vildes Gesicht war so dicht – genau wie im Film. Zwei Paar Lippen, leicht geöffnet, und der Atem, der die Haut streichelte. Im Film küssten sie sich in solchen Momenten immer!
Aber das war kein Film. Es war nicht mal wie am Tag zuvor, da waren sie betrunken gewesen, und auf einer Party konnte alles Mögliche passieren, das wusste ja jeder – theoretisch lachte man hinterher einfach drüber und gut. Das hier war echt. Das war ihr Leben, wie es wirklich war. Tag für Tag. Wenn sie sich jetzt küssten …!
„Wir müssen nicht“, flüsterte Vilde.
„Nein“, flüsterte Trine zurück. „Wir müssen nicht.“
Sie hatten sich keinen Millimeter voneinander wegbewegt. Der Kuss hing zwischen ihnen. Er hing dort und wartete.
Vorsichtig hob Vilde die Hand. Sie wollte Trine berühren. Aber ihre Finger zitterten völlig unkontrolliert. Gleich würde sie explodieren. Gleich würden die Lust und die Angst davor sie in Stücke reißen.
Ich tu es, ich tu es! Verdammt noch mal, ich tu es!
4
Benedicte blieb in ihrem Zimmer. Sie hatte keinen Nerv, ihrer Mutter zu begegnen. Sie machte das Fenster auf, setzte sich aufs Bett und rauchte. Die Zigarette schmeckte nicht wirklich gut. Das war eigentlich immer so, wenn sie allein war. Ihr Mund wurde trocken, ihre Augen fingen an zu brennen, und sie fand, dass es ekelhaft stank. Sie rauchte trotzdem weiter. Wenigstens hatte sie damit einen handfesten Grund, sich woanders aufzuhalten als ihre Mutter.
Whatever it takes.
Ihre Mutter war unerträglich, wenn ihr Vater auf Reisen war. Dann kam sie angekrochen.
Bitte, geh nicht weg, auch wenn ich gemein zu dir war. Ich werde mich ändern und ganz nett sein, ach, ach, ach.
Sie war so saumäßig abhängig von Sympathie und Liebe und von allen, die sie sonst wie Dreck behandelte. Und von den Pillen. Manchmal überlegte Benedicte, ob sie die Dinger nicht auch mal ausprobieren sollte. Nur um rauszufinden, wie diese andere Welt war, in der ihre Mutter verschwand, wenn sie glasige Augen und so ein aufgeweichtes, eingefallenes Gesicht bekam. War sie schön, diese Welt? Musste sie deshalb immer wieder da hin? Fühlte sich dort vielleicht alles warm und vertraut und sicher an?
Nein.
Benedicte schüttelte den Kopf.
Hör auf! Daran darfst du nicht mal denken. Nicht auch nur eine Sekunde lang.
Aber es gab so vieles, woran sie nicht denken wollte: Hatte ihr Vater möglicherweise eine andere? Und warum hatte Nick sie gestern Abend nicht gewollt? Obwohl sie sich angeboten hatte. Sie hatte richtig Lust gehabt. Zum ersten Mal seit … überhaupt je.
Aber er hatte sie weggestoßen, sie zerstört. Sie war nicht gut genug für ihn gewesen.
Und bestimmt hatte er hinterher über sie gelacht …
Sollte er sich doch verpissen!
Genau das hatte sie zu ihm gesagt, als die Demütigung in ihr brannte und sie unglaublich wütend war.
Ich hasse dich. Das vergesse ich dir nie. Ich werde niemals vergessen, was du mir angetan hast. Das kriegst du zurück … Das kriegst du verdammt noch mal zurück!
Sie hatte jedes einzelne Wort davon genau so gemeint und daran hatte sich nichts geändert. Es überraschte sie, wie tief die Verletzung saß.
Und dann war da noch was anderes. Etwas Kleines, Hartes tief in ihrer Brust. Es fühlte sich
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