Darling
Zeit zu sein.
Stefan Weber nahm die Notizen der Sekretärin entgegen.
„Alexander Paul, Elektronstraße 50, Frankfurt-Griesheim. Videoproduzent. 48 Jahre alt. Hat ein paar Punkte in Flensburg wegen zu schnellem Fahren. Gab allerdings auch mal ‘ne Anzeige wegen Körperverletzung. Und momentan läuft ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen ihn. Wollen wir ihm einen Besuch abstatten?“
In diesem Moment klingelte das Telefon. „Die Jungs von der Spurensicherung“, sagte die Sekretärin und hielt Edith den Hörer hin.
„Fingerabdrücke … im Wagen von Karl Blum. Ja … wie bitte? Sind Sie ganz sicher? … Gut. Und vielen Dank.“
Dann legte sie auf und sah prüfend in die Runde.
„Die Spurensicherung hat im Taxi von Karl Blum Fingerabdrücke gefunden. Und jetzt haltet euch fest: Sie sind hundertprozentig von Adrian Baumann.“
46
Wie magisch angezogen trottete Adrian hinter Clara die Treppe hoch in den dritten Stock.
„Warten Sie im Wohnzimmer auf mich“, wies sie ihn an und verschwand in einem der anderen Räume.
Adrian zögerte, dann öffnete er die Balkontür und zündete sich eine Zigarette an. Tief sog er das Nikotin in sich ein. Sofort ließ die innere Anspannung nach.
Er hatte Clara nicht gehört, aber er spürte, dass sie hinter ihm stand. Zärtlich streichelte sie mit ihren Fingern über seinen Nacken. Wieder roch er den Duft von Prada. Für einen Moment schloss er die Augen. Dann drehte er sich ruckartig um. Clara stand in einem engen schwarzen Rock, weißer Chiffonbluse und den hohen schwarzen Stiefeln, die sie schon am Montagabend getragen hatte, vor ihm. Devot senkte sie den Blick. Ihre langen, schwarz getuschten Wimpern ergossen sich wie ein Wasserfall über ihre Wangen. Adrian war hingerissen. Doch nach der Erfahrung der vergangenen Nacht widerstand er dem Impuls, sie an sich zu ziehen.
Abrupt drehte er sich um und starrte auf lange, dunkle Wohnblocks, die sich im trüben Licht der Straßenbeleuchtung aneinanderreihten. Irgendwie fühlte er sich verloren, seit diese Frau ihn vor weniger als 48 Stunden aus seiner vertrauten Welt herauskatapultiert hatte.
„Sie sind ein schöner, interessanter Mann“, hörte er Clara mit ihrer wunderbar rauchigen Stimme sagen. Ein Schauer rieselte über seinen Rücken. „Ich suche ein unverbrauchtes Gesicht für den nächsten Film“, fuhr sie unverwandt fort.
Hatte er richtig gehört? Ihre Worte schnürten Adrian für Sekunden den Hals zu.
„Sie wollen mich … casten?“ Adrian fühlte sich total überrumpelt. Dann spürte er den Stich, den ihre Worte in ihm angerichtet hatten. „Du bist für sie nur Objekt“, höhnte es in seinem Kopf. „Objekt! Objekt! Objekt!“
Adrian zog tief an seiner Zigarette. Dann schnippte er den Stummel über den Balkon. Schlagartig wurde ihm klar, dass Clara nur eine rein professionelle Sympathie für ihn empfand. Alles andere war schiere Einbildung gewesen.
Er stieß sie zur Seite und ging ins Wohnzimmer. Wie absurd diese Welt doch ist, dachte er. Enzo würde sicher jubeln, wenn Clara ihm dieses Angebot gemacht hätte. Doch in ihm tobte der Frust.
„Wie korrupt sind Sie?“
Seine Stimme klang verletzt. Doch sie winkte mit einer wegwerfenden Handbewegung lässig ab.
„Machen Sie es sich bequem. Dann reden wir übers Geschäft“, schlug sie ruhig und sachlich vor.
Als er stehen blieb, zog sie ihn mit sich auf die tiefe Ledercouch. Lasziv schlug sie ihre langen Beine übereinander. Dann nahm sie Adrians Hand, legte sie sich auf den Oberschenkel und schob seine Finger langsam über den Rock nach unten, bis er ihre Schenkel durch die Seidenstrümpfe spüren konnte.
Adrian klopfte das Herz bis zum Hals. So also fühlt sich ein unmoralisches Angebot an, sagte sein Bauch. So also fühlt es sich an, wenn du zur Ware wirst, höhnte sein Kopf.
Clara lächelte ihm aufmunternd zu.
„Warum zögern Sie?“
Adrian vermied den Blickkontakt und schaute zu Boden. Ihm wurde bewusst, wie sehr er sich geirrt hatte. Die Sympathie, die er verspürt hatte, galt nicht seiner Persönlichkeit.
„Nicht wichtig“, hörte er sich tief enttäuscht sagen. Clara lachte kurz auf.
„Oh bitte, haben Sie gedacht, ich würde … Gefühle für Sie empfinden?“, bemerkte sie mit leicht spöttischem Unterton.
Ihre kompromisslosen Worte trafen ihn. „Gefühle!“, hallte es unbarmherzig in seinen Ohren. Wut stieg in ihm hoch. Ihre Finger fühlten sich auf einmal wie ekelhafte Saugnäpfe eines Tintenfischs an. Oder wie eine
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