Das 1. Buch Des Blutes - 1
Gott, es war nur mehr herzlich wenig von ‘nem menschlichen Wesen übrig.«
»Davon war von vornherein herzlich wenig dran«, sagte sie einfach und dachte an Bens kalte Augen und noch kältere Hände. Nur wert, zum Schweigen gebracht und vergessen zu werden.
»Was ist damals passiert?«
»Mit Ben? Er wurde umgebracht.«
»Wie?« Zitterte seine Stimme ein bißchen?
»Ganz leicht.« Sie war vom Bett aufgestanden und lehnte neben dem Fenster. Meißel aus starkem Sommerlicht drangen durch die Lamellen der Jalousie herein; scharfe Leisten aus Schatten und Sonnenlicht «Sterten die Umrisse ihres Gesichts.
»Du warst es.«
»Ja.« Er hatte ihr beigebracht, offen zu sein. »Ja, ich war’s. « Auch eine Ökonomie der Drohung hatte er ihr beigebracht. »Verlaß mich, und ich mach’ dasselbe noch mal.«
Er schüttelte den Kopf. »Nie. Das wagst du nicht.« Er stand jetzt vor ihr. »Wir müssen uns irgendwie einigen, J. Ich bin mächtig und ich bin untadelig. Verstehst du? Nicht mal der Schimmer eines Skandals fällt auf mein öffentliches Image. Eine Geliebte, ein Dutzend Geliebte können sie mir anhängen, ohne daß sich was dran ändern würde. Aber eine Mörderin? Unmöglich, das würd’ mich ruinieren.«
»Erpreßt er dich, dieser Lyndon?«
Mit einem verzerrten Gesichtsausdruck starrte er durch die Jalousie hindurch auf den Tag. Nervöses Zucken in der Wangenpartie, unterm linken Auge.
»Wenn du’s unbedingt wissen willst, ja«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. »Der Sauhund hat mich total in der Hand.«
»Verstehe.«
»Und was er rauskriegt, können andere genausogut rauskriegen.
Kapiert?«
»Ich bin stark. Du bist stark. Die wickeln wir spielend um den kleinen Finger.«
»Nein.«
»Doch! Ich hab’ besondre Fähigkeiten, Titus.«
»Davon will ich nichts wissen.«
»Das wirst du aber«, sagte sie.
Sie schaute ihn an, packte ihn dabei an den Händen, ohne ihn zu berühren. Er sah, mit staunend stieren Augen, wie seine widerwilligen Hände emporgehoben wurden, um ihr Gesicht zu berühren, ihr mit der denkbar liebevollsten Geste übers Haar zu streichen. Sie brachte ihn dazu, ihr mit zitternden Fingern über die Brüste zu gleiten und dabei mit mehr Inbrunst hinzugreifen, als er aus eigener Initiative aufzubieten imstande war.
»Du bist immer zu zaghaft, Titus«, sagte sie und brachte ihn dazu, sie fast bis zur Schmerzgrenze zu begrabschen. »Ja, so mag ich’s.« Jetzt waren seine Hände weiter unten, entlockten ihrem Gesicht einen andersartigen Ausdruck. Wallungen pulsten darüber hin, voll und ganz lebendig war sie…
»Tiefer…«
Sein Finger drang ein, sein Daumen streichelte.
»Ich mag das, Titus. Warum machst du’s mir nie freiwillig, unaufgefordert?«
Er wurde rot. Er redete nicht gern über das, was sie miteinander machten. Flüsternd schmeichelte sie ihn tiefer.
»Ich zerbrech’ dir schon nicht. Vielleicht ist Virginia Meißner Porzellan, ich nicht. Ich muß was spüren; ich brauch’ was, durch das ich mich an dich erinnern kann, wenn ich nicht mit dir zusammen bin.
Nichts dauert ewig, oder? Aber ich will was, das mich warmhält, die Nacht über.«
Er sank auf die Knie, seine Hände, mit ihrer Absicht an ihr und in ihr, schweiften weiter herum, wie zwei wollüstige Taschenkrebse. Sein Körper war in Schweiß gebadet. Es war das erste Mal, dachte sie, daß sie ihn je hatte schwitzen sehen.
»Bring mich nicht um«, wimmerte er.
»Ich könnt’ dich ausradieren.« Radieren, dachte sie, drängte dann das Bild aus ihrer Vorstellung, bevor sie ihm irgend etwas antat.
»Ich weiß. Ich weiß«, sagte er. »Du kannst mich mit Leichtigkeit umbringen.«
Er weinte jetzt. Mein Gott, dachte sie, der große Mann liegt mir zu Füßen und flennt wie ein Kind. Was soll ich aus diesem kindischen Verhalten noch über die Macht erfahren? Sie pflückte ihm die Tränen von den Wangen, mit merklich größerem Kraftaufwand als es die Sache erforderte. Seine Haut rötete sich unter ihrem starrenden Blick.
»Laß mich, J. Ich kann dir nicht helfen. Ich bin unbrauchbar für dich.«
Das stimmte. Er war absolut unbrauchbar. Verächtlich ließ sie seine Hände los. Schlaff fielen sie ihm seitlich herab.
»Versuch’ ja nie, mich zu finden, Titus. Hast du verstanden? Schick ja nie deine Kreaturen hinter mir her, um deinen guten Ruf zu wahren, weil ich nämlich erbarmungsloser sein werde als du’s jemals warst.«
Er sagte nichts; kniete bloß da, weggewandt zum Fenster, während sie »ich das Gesicht
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