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Das 1. Buch Des Blutes - 1

Das 1. Buch Des Blutes - 1

Titel: Das 1. Buch Des Blutes - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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fetzte ihm die Haut vom Leib und schleuderte die Schnipsel im Zimmer umher, bis er dann endlich, dampfend, dastand, in seinem roten Anzug und einem roten Hemd und seinen glänzend roten Schuhen und, in ihren Augen, etwas mehr einem sensiblen Mann gleichsah. Mit dem Resultat zufrieden, gab sie ihn frei. Still legte er sich in einer Blutlache nieder und schlief.
    Mein Gott, dachte sie, als sie ruhig und gelassen die Treppe zum Hinterausgang benutzte, das war kein Totschlag, das war glatter Mord.
    In den Zeitungen konnte sie nirgends eine Meldung über den Tod entdecken, in den Nachrichten ebensowenig. Anscheinend war Lyndon so gestorben, wie er gelebt hatte, dem Licht der Öffentlichkeit entzogen.
    Aber sie wußte, Räder würden ins Rollen kommen, Räder - so groß, daß unbedeutende Individuen wie sie ihre Naben nicht sehen konnten. Was sie anrichten, wie sie ihr Leben verändern würden, darüber konnte sie nur Vermutungen anstellen. Aber der Mord an Lyndon war nicht aus reiner Bosheit geschehen, obgleich das mit dazugehört hatte. Nein, sie hatte sie auch aufstören wollen, ihre Feinde unter den Menschen, und sie auf ihre Fährte setzen. Sollten sie doch ihre Karten aufdecken, ihre Verachtung und ihre Furcht zeigen. Ihr Leben lang war sie anscheinend herumgelaufen und hatte nach einem Zeichen ihrer selbst gesucht, hilflos darauf fixiert, ihr Wesen am Augenaus-druck anderer Menschen abzulesen. Damit mußte es jetzt ein Ende haben. Es war an der Zeit, sich mit ihren Verfolgern zu befassen.
    Sicherlich würde jetzt jeder, der sie gesehen und erlebt hatte, alles daransetzen, sie aufzuspüren, Pettifer als erster, dann Vassi, und sie würde ihnen die Augen auf Dauer verschließen; dafür sorgen, daß sie sie vergaßen. Erst dann, nach der Vernichtung der Zeugen, wäre sie frei.
    Pettifer kam natürlich nicht, nicht in eigener Person. Kein Problem für ihn, Agenten aufzutreiben, Männer ohne Skrupel oder Mitleid, aber mit einem Riecher für die Jagd, der einen Bluthund beschämen würde.
    Man war dabei, ihr eine Falle zu stellen, obgleich sie die Fangeisen noch nicht sehen konnte. Überall deuteten Zeichen darauf hin. Das Aufstieben von Vögeln hinter einer Mauer hervor, ein eigenartiger Lichtschein aus einem fernen Fenster, Fußspuren, Pfiffe, Männer in dunklem Anzug, am äußersten Rand ihres Gesichtsfeldes in Zeitungen vertieft. Sie kamen ihr kein bißchen näher im Verlauf der Wochen, aber fort gingen sie freilich ebensowenig. Sie warteten ab, wie Katzen auf einem Baum, mit zuckendem Schweif und trägem Blick.
    Aber die Verfolgung trug Pettifers Handschrift. Sie hatte genug von ihm gelernt, um seine Umsicht und Tücke wiederzuerkennen.
    Schließlich würden sie sie holen kommen, zu gegebener Zeit, nicht ihrer, sondern der der Jäger. Vielleicht nicht einmal der Jäger: seiner.
    Und obwohl sie ihn niemals zu Gesicht bekam, war es, als ob Titus ihr persönlich auf den Fersen wäre.
    Mein Gott, dachte sie, ich bin in Lebensgefahr, und es ist mir egal.
    Sie war unnütz, diese Macht übers Fleisch, wenn ihr die nötige Zielsetzung fehlte. Sie hatte sie für ihre eigenen engstirnigen Beweggründe eingesetzt, zur Befriedigung nervöser Lust und purer Wut.
    Aber diese Darbietungen hatten sie anderen Menschen um nichts näher gebracht. In deren Augen war sie dadurch nur zum Monstrum geworden.
    Hin und wieder dachte sie an Vassi und fragte sich, wo er wohl steckte, was er wohl machte. Ein starker Mann war er nicht gewesen, hatte aber ein wenig Leidenschaft in der Seele gehabt. Mehr als Ben, mehr als Pettifer, bestimmt mehr als Lyndon. Und, erinnerte sie sich zärtlich, außer ihm hatte sie keinen Mann gekannt, der sie Jacqueline nannte. Bei allen übrigen hatte es nur zu ziemlich uncharmanten Verballhornungen ihres Namens gereicht: Jackie, oder J. oder, in Bens lästigeren Anwandlungen, Ju-ju. Nur Vassi hatte sie Jacqueline genannt, schlicht und einfach, und sie damit, auf seine förmliche Art, rückhaltlos, voll und ganz akzeptiert. Und wenn sie an ihn dachte, sich auszumalen versuchte, wie es wäre, wenn er zurückkehrte zu ihr, dann hatte sie Angst um ihn.
    Vassis Niederschrift (Teil II)
    Natürlich suchte ich nach ihr. »Die Welt ist klein« - erst wenn man jemanden verloren hat, wird einem so richtig klar, wie blödsinnig diese Redensart ist. Riesengroß ist sie, die Welt, und verschlingend, besonders wenn du allein bist.
    Solang ich als Rechtsanwalt in diesem inzestuösen Klüngel aufgehoben war, sah ich gewöhnlich

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