Das 5. Buch des Blutes - 5
hatte. Dieses Gerede von Tauschaktionen, von Handel-Abschließen, von Zurückgehen.
Edgar Tait trauerte wohl seinen Sünden nach. Im Lauf der Jahre hatte er zu der Überzeugung gefunden, daß er nicht das Exkrement des Teufels sei, daß es gar nicht so übel wäre, wieder in die Welt versetzt zu werden.
»Mein Großvater kann dich nicht leiden«, sagte der Junge, als sie nach dem Mittagessen wieder eingeschlossen wurden.
Auch am zweiten Tag nach dem blutigen Gewaltakt war jegliche Freizeitgestaltung oder Werkstattarbeit gestrichen, während eine Zelle-zu-Zelle-Befragung über Lowells und - seit den Morgenstunden des heutigen Tages - Naylers Tod durchgeführt wurde.
»Ach nein?« sagte Cleve. »Und weshalb?«
»Sagt, du fragst zuviel. In der Stadt.«
Cleve saß auf dem oberen Bett, Billy auf dem Stuhl vor der gegenüberliegenden Wand. Die Augen des Jungen waren blutunterlaufen; ein geringfügiges, aber ständiges Zittern hatte sich seines Körpers bemächtigt.
»Du wirst sterben«, sagte Cleve. Wie anders sollte man diese Tatsache konstatieren als unverblümt? »Ich sah… in der Stadt…«
Billy schüttelte den Kopf. »Manchmal redest du daher wie ein Irrer. Mein Großvater sagt, ich soll dir nicht trauen.«
»Er hat Angst vor mir, deshalb.«
Billy lachte höhnisch. Es klang häßlich, von Großvater Tait gelernt, nahm Cleve an. »Er hat vor gar niemand Angst«, gab Billy zurück.
»Angst vor dem, was ich sehen könnte. Vor dem, was ich dir sagen könnte.«
»Nein«, sagte der Junge, mit absoluter Überzeugung.
»Er hat dich beauftragt, Lowell umzubringen, nicht?«
Billys Kopf schnellte hoch. »Warum sagst du das?«
»Du wolltest ihn nie ermorden. Vielleicht beiden einen kleinen Schreck einjagen, aber sie nicht umbringen. Das war die Idee von deinem liebevollen Großvater.«
»Niemand sagt mir, was ich zu tun habe«, antwortete Billy;
sein Blick war eisig. »Niemand.«
»Na schön«, räumte Cleve ein, »vielleicht hat er dich überredet, hm? Dir gesagt, daß der Familienstolz es erfordert.
Etwas in der Art?« Die Bemerkung berührte offenkundig einen Nerv; das Zittern hatte sich verstärkt.
»Und? Wenn’s so wäre?«
»Ich hab’ gesehen, wohin du bald gehen wirst, Billy. Ein Platz, der auf dich ganz allein wartet…« Der Junge starrte Cleve an, machte aber nicht den Versuch, ihn zu unterbrechen.
»Nur Mörder wohnen in der Stadt, Billy. Deshalb ist dein Großvater dort. Und wenn er einen Ersatz finden kann - wenn er es schafft, hinauszugelangen und einen weiteren Mord zu vollbringen - dann kann er freikommen.«
Billy stand auf, mit dem Gesichtsausdruck einer Furie. Jede Spur von Hohn war verschwunden. »Was soll das heißen:
frei ?«
»Wieder auf die Welt. Wieder hierher. «
»Du lügst…«
»Frag ihn.«
»Er würde mich nicht betrügen. Sein Blut ist mein Blut.«
»Du glaubst, das kümmert ihn? Nachdem er fünfzig Jahre in dem Ort auf eine Chance wartet, da rauszukommen. Du glaubst, er schert sich einen Dreck drum, wie er das hinkriegt?«
»Ich werd’ ihm sagen, wie du lügst…« sagte Billy. Die Wut richtete sich nicht ausschließlich gegen Cleve; eine Unterströmung des Zweifels war spürbar, die Billy zu unterdrücken
suchte. »Du bist tot«, sagte er, »wenn er herausfindet, wie du versuchst, mich gegen ihn einzunehmen. Du wirst ihn dann schon sehen. O ja. Du wirst ihn sehen. Und du wirst bei Gott wünschen, es war’ nicht der Fall.«
Die Lage schien ausweglos. Selbst wenn Cleve die Verwaltung durch Angabe irgendwelcher Gründe dazu bringen könnte, ihn vor Einbruch der Nacht zu verlegen (eine allerdings dürftige Chance; er müßte alles über den Haufen werfen, was er von dem Jungen behauptet hatte - ihnen sagen, daß Billy auf gemeingefährliche Weise geisteskrank sei oder etwas in der Art; die Wahrheit bestimmt nicht), selbst wenn es ihm gelingen sollte, sich in eine andere Zelle schaffen zu lassen, bot ein solches Manöver keine Aussicht auf Sicherheit. Der Junge hatte gesagt, er sei Rauch und Schatten. Weder Tür noch Gitter konnten solchen Einschleichmethoden Widerstand entgegensetzen; das Schicksal von Lowell und Nayler war der eindeutige Beweis dafür. Auch war Billy nicht allein. Mit Edgar St. Clair Tait war zu rechnen - und welche Kräfte mochte der wohl besitzen? Aber mit dem Jungen heute nacht in derselben Zelle zu bleiben, das war doch fast dasselbe wie eine Selbstschlachtung. Da würde er sich selber den Bestien ans Messer liefern.
Als sie zum Abendessen
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