Das achte Tor
…«
Shaé packte sie am Hals und verpasste ihr einen ordentlichen Kopfstoß mitten ins Gesicht. Enola stieß einen schrillen Schrei aus und sackte zusammen. Sie hielt sich die Nase, aus der eine scharlachrote Fontäne schoss.
Shaé warf ihr einen todesverachtenden Blick zu.
Dann waren Laufgeräusche zu hören. Ungefähr zehn Milizen in schwarzen Kevlar-Rüstungen tauchten auf der Terrasse auf. Sie trugen Kampfhelme und hielten Sturmgewehre im Anschlag.
Enola kauerte immer noch am Boden und zeigte mit blutverschmiertem Finger auf Shaé.
»Sie ist es«, schrie sie. »Sie ist eine Metamorphe!«
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n perfekter Choreographie legten die Männer in Kev-I lar-Rüstung ihre Gewehre an. Zehn Augenpaare peil-ten ihr Ziel an. Zehn Finger legten sich an den Abzug.
Und krümmten sich langsam …
Ein schwarzer Panther traf mit einem mächtigen Satz den ersten von ihnen und schleuderte ihn gegen seine Kameraden.
In der Zeit, die die Milizen benötigten, die veränderte Situation zu begreifen, hatte die Raubkatze schon den großen Saal erreicht und verschwand in einem Gang. Ein paar Schüsse hallten, Hochgeschwindigkeitskugeln schlugen in die Mauern und ließen Putz auf den Boden rieseln.
Der Panther war schon weit weg.
»Feuer einstellen!«, befahl der Chef des Kommandos.
Die Stille, die auf seinen Befehl folgte, wurde vom Lärm einer berstenden Scheibe durchbrochen. Die Milizen schwenkten herum, hoben den Kopf … zu spät.
Der Junge, der die Metamorphe begleitete, hatte einen unglaublich hohen Sprung gemacht, sich mit den Händen am Balkon festgehalten und hochgezogen, ein Fenster eingeschlagen und war im Haus verschwunden.
»Fangt ihn!«, schnaubte der Chef. »Tot oder lebendig!
Und sagt der zweiten Mannschaft Bescheid!«
Seine Männer reagierten mit der Geschwindigkeit durchtrainierter Profis. Sie rannten in den großen Saal 233
und verteilten sich in Gruppen zu zweit oder dritt in unterschiedliche Gänge.
Der Chef blieb alleine zurück und kümmerte sich um Enola. Er klappte das Visier seines Helms auf und kniete sich neben sie.
»Wie geht es Ihnen, Mademoiselle?«
Er konnte die Antwort nicht mehr hören.
Eine zusammengekauerte Gestalt hatte sich vom Balkon über ihm auf seine Schultern fallen lassen und ihn mit aller Gewalt auf den Steinboden geschleudert. Der Milizionär gab ein kurzes Röcheln von sich und rührte sich nicht mehr.
Nathan rollte geschickt ab und stand wieder auf.
Er erwog einen Moment, das Sturmgewehr an sich zu nehmen, doch da er nicht wusste, wie es funktionierte, verwarf er den Gedanken wieder. Er musste Shaé vor den Milizionären erreichen und mit ihr zurück in Barthélemys Villa laufen. Nichts anderes. Das war ihre einzige Chance, denn die anderen Ausgänge aus dem Haus waren für sie nicht zugänglich.
Er blickte seelenruhig auf Enola, die ihn verwundert anstarrte, und dachte nicht im Traum daran, ein Wort mit ihr zu reden. Dann ging er ins Haus hinein.
Zwei Männer bewachten Barthélemys Tür. Nathan zuckte zurück und hoffte, dass sie ihn nicht bemerkt hatten. Es war nicht sicher, ob die Milizionäre nicht das Feuer auf ihn eröffnen würden, obwohl er zur Familie gehörte. Aber darauf wollte er es nicht ankommen lassen.
Er versuchte, sich die Möglichkeiten vorzustellen, die sich Shaé boten. Wenn sie noch ein wenig klar denken 234
konnte, musste sie sich in der Nähe von Barthélemys Tür verstecken und auf eine Gelegenheit warten, hindurchzu-schlüpfen.
Vorsichtig erkundete er die Räume der näheren Umgebung. Dieses Vorhaben wurde zwar durch die sparsa-me Möblierung der Räume erleichtert, aber erschwert durch ihre Anzahl und die zunehmende Dunkelheit.
Außerdem wusste er nicht, ob Shaé noch als Panther umherlief, ihn vielleicht nicht erkannte und ihm die Kehle durchbiss, bevor er auch nur ein Zeichen geben konnte. Doch diese Furcht verbannte er in die hinterste Ecke seines Gehirns. Stattdessen achtete er darauf, sich nicht zu verlaufen, und suchte weiter.
Am Ende wurde sein Durchhaltevermögen belohnt.
Shaé versteckte sich hinter einem großen, dunklen Schrank in einem fensterlosen Raum. Als sie ihn leicht an der Schulter berührte, entfuhr ihm ein kleiner Überra-schungslaut. Er rechnete damit, dass ihr Gesicht von tiefer Sorge gezeichnet war, doch sie schenkte Nathan ein schüchternes Lächeln.
»Langsam begreife ich, wie es funktioniert«, flüsterte sie ihm zu. »Von mir aus können wir …«
***
Die beiden Milizionäre hielten aufmerksam
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