Das alte Haus am Meer
nichts dran ist, wäre es dumm, es nicht aus der Welt zu schaffen.« Sie drehte sich im Sprechen um und ging mit der Kaffeetasse in der Hand zum Tisch.
Alicia lachte.
»Wie aufrichtig das klingt! Na gut, und wann geben wir eine Vorstellung unserer Freundschaft? Wir könnten doch gleich mal Arm in Arm ins Dorf hinunterlaufen. Und wenn wir dort sind, dann fällt uns schon etwas zu erledigen ein.«
Während sie noch sprach, kam Rafe herein, und sie begrüßte ihn mit den Worten:
»Hallo. Warum verdienst du nicht deinen Lebensunterhalt?«
Er ging zum Büfett und hob einen Warmhaltedeckel nach dem anderen in die Höhe.
»Rühreier, ich weiß nicht. Speck, eher nicht. Was hast du gesagt, Schätzchen?«
»Ich habe gefragt, warum du nicht arbeitest?«
Er winkte ihr mit der rechten Hand zu.
»Ich habe immer noch einen gequetschten Daumen, und wenn du andeuten willst, dass es sich dabei nur um Einbildung handelt, dann werde ich kontern, wenn ich mir einbilde, dass mein Daumen gequetscht ist, dann bilde ich mir auch ein, dass ich nicht damit zeichnen kann. Vorteil für mich.«
Alicia blies eine feine Rauchwolke aus.
»Zeichnest du mit dem Daumen?«
»Versuch mal, ohne ihn zu zeichnen, Schätzchen. Spiel und Satz. Räucherhering, ich habe doch Räucherhering gerochen. Lisle, was trinkst du – Kaffee? Das ist dein amerikanisches Blut.« Er holte sich einen Räucherhering an den Tisch und setzte sich neben sie. »Die gute alte Queen Bess nahm zum Frühstück eine Rinderlende und mehrere Humpen Bier zu sich. Wir leben in einem degenerierten Zeitalter. Du bist ja kontinental; halte dich an deinen Kontinent. Alicia ist absolut dekadent. Nikotin und Orangensaft, das ist gruselig. Ich dagegen unterstütze die Heringsindustrie. Was habt ihr denn heute vor?«
Alicia drückte ihre Zigarette auf dem Rand seines Tellers aus.
»Probier mal Nikotin und Räucherhering, das ist wirklich dekadent! Lisle und ich spazieren ins Dorf und demonstrieren unsere Freundschaft.«
Lisle blickte auf.
»Ich kann leider heute Morgen nicht.«
»Oh?« Alicia starrte sie an. »Und warum nicht?«
»Ich muss nach Ledlington.«
Alicia lachte.
»Dale hat das Auto«, sagte sie.
»Oh …« Es war nicht mehr als ein Ausatmen. Panik überkam sie. Was, wenn Alicia ihr nun anböte, sie nach Ledlington zu fahren? Es bliebe ihr keine andere Wahl. Sie musste Miss Silver anrufen. Angenommen, Alicia böte es nicht an. William Crisp hatte ein Auto, das er vermietete. Das wäre eine Möglichkeit. Aber jeder im Dorf würde sich fragen, warum sie einen Wagen mieten musste.
»Ledlington ist mir zu langweilig«, sagte Alicia. »Wir können uns dort ein andermal zeigen. Wir sollten hier im Dorf anfangen.«
»Wie zuvorkommend du bist«, unterbrach sie Rafe.
»Keiner scheint daran zu denken, dass ich ein Auto habe. Lisle und ich fahren nach Ledlington, und du kannst allein ins Dorf laufen. Wann möchtest du losfahren, Zuckerpüppchen?«
Alicia errötete.
»Was für ein absolut alberner Name! Wenn ich Dale wäre …«
Rafe lachte.
»Dann hättest du ordentlich gefrühstückt. Ich könnte wetten, der hat nichts ausgelassen.« Er wandte sich an Lisle: »Also, wann fahren wir los?«
Dankbar blickte sie ihn an.
»Ginge es bald?«
»Aber sicher.«
»Willst du einen neuen Wagen kaufen?«, fragte Alicia provozierend.
»Ich weiß noch nicht, vielleicht. Es ist schwierig, so ohne Wagen.«
»Oh, Rafe steht dir zu Diensten – solange er einen verletzten Daumen hat.«
Rafe stand auf und räumte seinen Teller weg. Er kam zum Tisch zurück und rezitierte: »Bin ich auch nur ein Simulant, auf ewiglich ich Sie chauffieren könnt.«
Alicia prustete los.
»Du willst wohl Lisle vorgaukeln, dass du sie magst? Keine Chance!«
Rafe lächelte.
»Na ja, sie ist ein gutgläubiger Mensch. Vielleicht lässt sie sich täuschen. Du solltest sie warnen. Und ich sehe dir an, dass du genau das vorhast.« Lachend wandte er sich an Lisle. »Ich bin kein Prophet in meinem eigenen Land. Alicia wird sagen, dass ich noch nie in meinem Leben jemanden gemocht habe. Ich bin ein Schürzenjäger, flirte mit jeder und bin ein unzuverlässiger Wilderer in fremdem Revier. Ich raube Hühnernester aus und will nicht einmal die Eier essen. Ich werfe sie weg, weil ich gerne Dinge kaputt mache. Es ist allgemein bekannt, dass ich herzlos bin. Also, du bist gewarnt.«
Lisle zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. Das war nicht bloße Neckerei, das ging tiefer. Sie wusste nicht, was es war, aber es machte ihr Angst.
Sie erwiderte so
Weitere Kostenlose Bücher