Das alte Königreich 03 - Abhorsen
und mit einem schrillen Wiehern in einem Funkenregen ins Wasser stürzte. Instinktiv hatte es sich zu befreien und endgültig zu sterben vermocht.
»Jetzt wird er sehr, sehr wütend sein«, prophezeite Mogget.
Sams plötzliche Hoffnung schwand, als Hedge aufstand, den Pfeil aus seinem Hals riss und zu Boden warf.
»Verschwende keinen Pfeil mehr an ihn«, sagte die Hündin. »Ein Pfeil vermag ihn nicht zu töten, welche Magie ihn auch ins Ziel bringt.«
Sam nickte grimmig, warf den Bogen fort und zog sein Schwert. Der Fluss mochte die Totenhände aufhalten, aber nicht Hedge.
Auch Hedge zog sein Schwert und rückte voran, während die Totenhände ihm eine Gasse bildeten. Am Flussufer angelangt, verzog der Nekromant die Lippen zu einem boshaften Lächeln, und Feuer zuckte über seine Zähne. Er setzte einen Stiefel in den Fluss – und lächelte erneut, als das Wasser zu verdampfen begann.
»Lauf und hilf Lirael«, befahl Sam der Hündin. »Ich werde Hedge aufhalten, solange ich kann. Mogget, kann ich auf deine Hilfe zählen?«
Mogget antwortete nicht und war nirgends zu sehen.
»Viel Glück«, sagte die Hündin. Dann war sie fort und jagte am Ufer entlang nach Westen.
Sam holte tief Luft und wappnete sich. Seine schlimmste Furcht war Wirklichkeit geworden. Allein stand er Hedge gegenüber.
Sam griff in die Charter, sowohl um Kraft zu finden als auch, um bereit für einen Zauber zu sein. Sein Atem wurde ruhiger, als er den vertrauen Fluss der Kraft spürte, und ohne bewusst daran zu denken, begann er Charterzeichen herauszuziehen. Er flüsterte ihre Namen, während sie in seine geöffnete Hand fielen.
Hedge machte einen weiteren Schritt. Er war nun fast völlig hinter wallendem Dampf verborgen. Der ganze Fluss kochte und zischte. Sams Mut sank, als er erkannte, dass der Nekromant den Fluss beinahe verdampfen ließ. Nur wenige Augenblicke später floss bereits wesentlich weniger Wasser. Das Flussbett kam zum Vorschein, und die Totenhände drängten voran.
Hedge wird gar nicht gegen mich kämpfen müssen, überlegte Sam. Hedge brauchte nur im Fluss zu stehen, während seine Totenhände herüberkommen und Sam erledigen…
Sam hatte zwar die Panflöten, war aber ungeübt in ihrem Gebrauch. Außerdem stand er einfach zu vielen Toten gegenüber.
Er konnte nur eines tun. Er musste Hedge im Fluss angreifen und töten, bevor die Toten herüberkommen konnten. Falls er Hedge überhaupt zu töten vermochte, meldeten sich nagende Zweifel tief in seiner Seele. Wäre es nicht klüger, die Flucht zu ergreifen? Lauf, bevor alles noch einmal beginnt und ein Nekromant dir den Geist aus dem Fleisch reißt…
Sam verdrängte diesen Gedanken in die tiefsten Abgründe seines Verstandes, wo er keine Bedeutung mehr besaß. Dann ließ er die Charterzeichen in seiner Hand ins Nichts fallen und griff erneut in die Charter nach einer neuen Reihe von Zeichen. Während er sie rief, zeichnete er die Symbole mit einem Finger hastig auf seine Beine. Zeichen des Schutzes, der Reflexion, der Ablenkung. Sie verbanden sich, leuchteten und hüllten seine Beine in einen magischen Panzer, der ihn vor Dampf und kochendem Wasser schützen würde.
Er blickte nur zehn, fünfzehn Sekunden hinab. Als er wieder aufsah, war Hedge verschwunden. Der Dampf verflüchtigte sich, das Wasser floss wieder. Die Totenhände wandten sich um und stapften davon. Zurück blieb aufgewühlte Erde, übersät mit verrottenden Fleischfetzen und zersplitterten Knochen.
»Entweder dir ist ein anderer Tod vorherbestimmt, Prinzchen«, bemerkte Mogget, der unvermutet zu Sams Füßen aufgetaucht war, »oder Hedge hat plötzlich etwas Wichtigeres zu tun.«
»Wo warst du?«, fragte Sam. Er fühlte sich seltsam betrogen. Er war bereit gewesen, sich in den Fluss zu stürzen und zu kämpfen, und nun war alles vorbei wie ein Spuk. Er stand in der Stille eines friedlichen Morgens. Die Sonne war aufgegangen und die Vögel sangen wieder. Allerdings nur auf seiner Seite des Flusses, wie Sam bemerkte.
»In einem guten Versteck, wie jede vernünftige Person im Angesicht eines so mächtigen Nekromanten wie Hedge«, erwiderte Mogget.
»So mächtig ist er?«, fragte Sam. »Du musst in Diensten meiner Mutter und der anderen Abhorsen vielen Nekromanten begegnet sein.«
»Sie alle hatten nicht die Hilfe des Zerstörers«, sagte Mogget. »Ich muss gestehen, ich bin beeindruckt von seiner Macht, die er trotz seiner Gefangenschaft auszuüben vermag. Es sollte uns allen eine Lehre sein, dass
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