Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
mich.
»Lies doch, was da steht, dann weißt du es.«
Sie erwiderte meinen Blick bissig.
»Könnte ich lesen, was da steht, hätte ich dich nicht gefragt. Du weißt genau, dass ich keine andere Sprache spreche und eigentlich dachte ich, dass DU auch keine weitere beherrschst.«
Ich sah sie verwirrt an. Ich konnte keine zweite Sprache.
»Du kannst nicht lesen, was da steht?«
Keira verdrehte die Augen.
»Nein, dass habe ich doch gerade gesagt.«
Ich biss mir auf die Lippe. Warum konnte ich es lesen?
»Also?«
Ich las ihr den Brief vor. Ihre Augen wurden zusehends größer und sie sprach aus, was ich gedacht hatte.
»Das ist ein Scherz, oder?«
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. War das ein Scherz oder Ernst? Fragen konnte ich meinen Großvater nicht. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Und seine klägliche Entschuldigung machte das alles auch nicht besser. Ich nahm Keira den Ring ab und steckte ihn mir an den Finger. Er passte. Ich betrachtete ihn nachdenklich. Es sei meine Pflicht, hatte mein Großvater geschrieben. Aber was genau? Und was sollte ich schon ausrichten können. Ich konnte nicht einmal einen Tag überstehen, ohne mir selbst wehzutun. Keira schien meine Gedanken zu erraten.
»Du kannst nicht ernsthaft darüber nachdenken. Das ist Wahnsinn!«
Ich sah, wie in ihren Augen die Sorge mit der Hoffnung kämpfte. Sorge um mich, und Hoffnung ihre Mutter vielleicht doch retten zu können. Wie könnte ich ihr diese Hoffnung vorenthalten oder mich vor der Welt rechtfertigen, für den Fall das es nicht alles Hirngespinste eines alten Mannes waren. Dass ich wirklich diese Erbin war und die Einzige, die den Zirkel der Seelensammler in die Knie zwingen könnte. Wäre es wahr, könnte ich dann einfach sagen, dass mein Leben wichtiger ist als jedes andere? Könnte ich zulassen, dass kleine Kinder ihre Mütter verloren und Eltern ihre Kinder, wenn es in meiner Macht stünde es zu ändern?
»Janlan denke nicht Mal daran! Das ist Wahnsinn! Was sollst du denn bitte ausrichten können? Das ist doch verrückt!«
Ich fühlte mich ein wenig gekränkt.
»Ach, bin ich also nichts Besonderes?«
Keira verdrehte die Augen.
»Du weißt genau, wie ich das gemeint habe.«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht.«
Keira begutachtete mich argwöhnisch.
»Du denkst darüber nach.«
Es war keine Frage.
»Nein natürlich nicht. Wie du schon sagtest, was soll ich den bitteschön ausrichten, so besonders bin ich nicht.«
Sie ließ mich nicht aus den Augen. Ich wollte noch darüber nachdenken, aber nicht, während sie mich so scharf musterte. Sie würde meine Entscheidung erkennen, bevor ich sie überhaupt getroffen hatte. Und würde ich dem Ganzen nachgehen, würde ich Keira nicht erlauben mitzukommen. Übertrieben gleichgültig knüllte ich den Brief zusammen und warf in zurück ihn die Truhe. Ich hoffte sie damit ein wenig zu besänftigen. Es funktionierte nicht ganz. Keira musterte mein Gesicht immer noch viel zu aufmerksam. Ich schlug den Deckel der Truhe zu und fluchte leise über die Unzurechnungsfähigkeit meines Großvaters. Das schien sie zu beruhigen.
»Du denkst nicht weiter drüber nach?«
Natürlich wollte sie sichergehen. Ich seufzte so leise, dass sie es nicht hörte.
»Warum sollte ich? Ich habe zehn Jahre lang nichts von diesem Mann gehört, und nur weil ich jetzt eine alte Truhe finde, werde ich nicht losrennen und seinen Geistern hinterher jagen. Das wäre wirklich blöd. Und mein Maß an Dummheiten ist fürs Erste erfüllt, oder?«
Sie wechselte von besorgt in zornig.
»Oh ja. Da kannst du Gift drauf nehmen.«
Ich lachte zufrieden. Erstmal war sie überzeugt. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen und stöhnte unwillkürlich, als sich sämtliche Verletzungen bemerkbar machten. Keira zog eine Augenbraue hoch.
»Ist der Arm so schlimm?«
Mist! Wenn ich nicht aufpasste, würde sie noch alle anderen Blessuren erraten.
»Nein, ich bin einfach nur hundemüde. Die scheiß Truhe hat mich um meinen ganzen Schlaf gebracht. Ich glaub mir fallen jeden Moment die Augen zu.«
Keira warf einen Blick zu meinem Wecker. Er verkündete halb sechs Uhr abends. Nicht mehr lange und die Sonne würde untergehen.
»Ich sollte auch langsam gehen.«
Ich wollte gerade aufstehen, als ich fragte »Soll ich dich fahren?«
Keira lachte.
»Und mir dabei weiter die Ohren voll jammern wie müde du bist und gleichzeitig noch dein Gestöhne ertragen, jedes Mal wenn du deinen Arm benutzt. Nein danke. Ich
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