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Das Anastasia-Syndrom

Titel: Das Anastasia-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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gegeben. Mit einer Ausnahme – Wohnung 4 B. Soweit ich feststellen kann, haben da die Mieter erst vor vier Jahren gewechselt.«
    Myrna Brown schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
    »So was von dämlich! Natürlich. Wir sind erst drei Jahre hier, aber der Hausmeister, der in Rente gegangen ist, hat uns alles über Mrs. Bloxham erzählt. Mit Neunzig hat sie schließlich die Wohnung aufgegeben und ist in ein Altersheim gegangen. Sie soll geistig voll auf der Höhe gewesen und unter Protest ausgezogen sein, aber ihr Sohn wollte nicht, daß sie weiter allein lebte.«
    »Wie lang hat sie hier gewohnt?« Judith fühlte, wie ihr der Mund trocken wurde.
    »Seit ’ner Ewigkeit. Sie ist wohl als junge Frau mit Zwanzig hier eingezogen.«
    »Lebt sie noch?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht, würde ich sagen. Aber man kann ja nie wissen, stimmt’s?«
    Judith schluckte. So nahe. So greifbar nahe. Sie mußte sich fassen und Haltung bewahren, schaute sich in dem kleinen Wohnzimmer um – bunte Blumentapete, straff mit Roßhaar ge-polsterte Couchgarnitur, elektrische Heizkörper unter langen, schmalen Fenstern.
    Der Heizkörper. Sie und Polly waren um die Wette gerannt.
    Sie war gestolpert und gegen den Heizkörper gefallen. Sie erinnerte sich an den gräßlichen Geruch nach verbrannter Haut, an das Gefühl, wie ihr Haar am Metall festklebte. Und dann Arme, die sie hielten, sie beruhigten, sie die Treppe hinuntertrugen.
    Die junge, erschrockene Stimme ihrer Mutter, die nach Hilfe rief.
    »Die Post mußte doch Mrs. Bloxham bestimmt nachgeschickt werden.«
    Das Postamt darf keine Adressen herausgeben, aber warum rufen wir nicht bei der Hausverwaltung an? Die könnten sie doch haben.«
    Am Spätnachmittag fuhr Judith in einem Leihwagen durch das Tor vom Preakness Retirement Home in Bath. Sie hatte sich vorher telefonisch erkundigt und erfahren, daß Muriel Bloxham noch dort wohnte, aber sehr vergeßlich geworden sei.

    Die Heimleiterin führte sie in den Gesellschaftsraum – breite, hohe Fenster, sonnig, helle Vorhänge und Teppiche. Vier oder fünf alte Leute im Rollstuhl waren vor dem Fernseher versammelt. Drei Frauen, schätzungsweise Ende Siebzig, unterhielten sich und strickten dabei. Ein weißhaariger Mann mit hagerem Gesicht blickte starr vor sich hin und dirigierte. Im Vorbeigehen stellte Judith fest, daß er dazu erstaunlich richtig summte. Mein Gott, dachte sie, diese armen Menschen…
    Die Heimleiterin hatte wohl ihren Gesichtsausdruck bemerkt.
    »Ohne Frage haben manche von uns ein allzu langes Leben, aber ich kann Ihnen versichern, daß sich unsere Gäste durchweg sehr wohlfühlen.«
    Judith fühlte sich zurechtgewiesen. »Das sehe ich auch«, entgegnete sie ruhig. Ich bin so müde, dachte sie. Das Ende des Buches, das Ende des Wahlkampfes, vielleicht das Ende der Spurensuche. Die Heimleiterin hielt sie wahrscheinlich für eine Verwandte der alten Mrs. Bloxham – die womöglich sogar an einem Schuldkomplex litt und nun einen hastigen Pflichtbesuch absolvierte.
    Sie waren am Fenster angelangt, mit Aussicht auf eine Park-landschaft. »Na, Mrs. Bloxham«, begann die Heimleiterin in herzlichem Ton. »Wir haben Besuch gekriegt. Ist das nicht schön?«
    Mrs. Bloxham, gebrechlich, aber immer noch kerzengerade im Rollstuhl sitzend, erwiderte: »Mein Sohn ist in den Staaten.
    Sonst erwarte ich niemand.« Ihre Stimme klang fest und klar.
    »Na aber, behandelt man denn so einen lieben Gast?« murrte die Heimleiterin.
    Judith legte ihr die Hand auf den Arm. »Bitte, wir kommen schon zurecht.« Sie holte sich den Stuhl, der an einem kleinen Tisch stand, und setzte sich neben die alte Frau. Ein wunderbares Gesicht, dachte sie, und die Augen immer noch so intelligent. Muriel Bloxhams rechter Arm lag auf der Decke, in die sie eingehüllt war. Mager und runzelig.
    »Na los, wer sind Sie?« fragte Mrs. Bloxham. »Ich werde alt, das weiß ich selber, aber ich erkenne Sie nicht.« Die Stimme war schwach, doch sehr deutlich. Sie lächelte. »Ob ich Sie nun kenne oder nicht, ich bekomme gern Besuch.« Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Müßte ich sie kennen? Mein Gedächtnis soll angeblich nachlassen.«
    Judith merkte sofort, wie sehr das Sprechen die alte Frau an-strengte. Sie mußte gleich auf ihre Fragen kommen. »Ich bin Judith Chase. Ich halte es für denkbar, daß Sie vor langer Zeit meine Angehörigen gekannt haben, und danach möchte ich Sie fragen.«
    Mrs. Bloxham zog den linken Arm unter der Decke hervor und tätschelte

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