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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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es
    tatsächlich gut funktioniert. Wir konnten Mrs. Gardner und ihre Tochter beobachten. Sie hat ihr
    vorgelesen, und ... «
    »Er hat Ihnen erzählt, dass er Amy Mills beobachtet hat?«
    »Ja. Über Monate wohl. Er wirkte, als sei er ... richtig stolz
    darauf. Die Kleine, die jetzt tot ist, die kannte ich gut, hat er gesagt, und dann kam er mit diesem Ding hier an. Ich war total
    erschrocken, aber das merkte er gar nicht. Er brüstete sich mit seinem tollen Fernrohr und
    damit, dass er sogar ... sogar die Farbe ihrer Schlüpfer gekannt habe. Man kann auch ins Bad
    schauen, wissen Sie.«
    Jennifer griff sich an die Schläfe. Sie spürte ein feines Zucken. »Das ist ... das ist in der
    Tat etwas verstörend«, meinte sie schließlich.
    »Aber es ist noch nicht all es«, sagte Ena. Es
    war ihr an zumerken, wie gut es ihr tat, sich endlich jemandem
    anvertrauen zu können. »Vorgestern habe ich etwas gefunden, das ... Und seitdem geht es mir
    ganz schlecht, und ich wusste, dass ich das alles nicht für mich behalten darf ...
    «
    Sie zog Jennifer hinüber zu einer kleinen Kommode, kniete nieder und mühte sich, die unterste
    Schublade zu öffnen.
    Jennifer drehte sich nervös zur Wohnungstür um. Ihr Frösteln hatte sich verstärkt, und sie
    wusste, dass es nun gewiss nicht mit dem kühlen Tag zusammenhing. »Sind Sie ganz sicher, dass
    er nicht plötzlich hier hereinschneit?«
    »Er würde von Hull aus nicht rasch auf einen Sprung mittags heimkommen«, meinte Ena, aber sie
    klang nicht völlig überzeugt.
    »Schnell«, drängte sie, »schauen Sie sich das an!«
    Es war ihr endlich gelungen, die Schublade aufzuziehen. Sie war bis zum Rand mit Fotos gefüllt
    - Fotos in allen Größen, farbige Bilder und solche in Schwarz-Weiß, manche gerahmt, manche in
    papiernen Passepartouts steckend. Ena griff sich einen Stapel und drückte ihn Jennifer, die
    sich nun ebenfalls niederkauerte, in die Hände. »Hier!«
    Alle Bilder zeigten eine junge Frau. Zum größten Teil waren es recht grobkörnige Aufnahmen,
    offensichtlich aus großer Entfernung geschossen. Sie zeigten die junge Frau beim Spazierengehen
    auf den Klippen. Am Strand. Eine Straße entlanglaufend. Beim Herauskommen aus einem Supermarkt.
    Beim Essen in einem McDonald's. Im Inneren einer Wohnung. Lesend. Fernsehend. Aus dem Fenster
    starrend.
    »Wer ist das?«, fragte Jennifer, obwohl sie es wusste. Ihre Stimme klang heiser.
    »Das ist Amy Mills«, antwortete Ena. »Ich weiß es, weil ihr Bild damals nach ihrer Ermordung
    ständig in der Zeitung war. Es ist Amy Mills in praktisch allen Lebenslagen. Sie sehen ja«, sie
    machte eine Handbewegung zu der offenen Schublade hin, »es ist alles voll davon.«

    » Die meisten sind mit einem Teleobjektiv aufgenommen«, sagte
    Jennifer, „und es scheint nicht so, als habe Amy Mills gewusst, dass sie fotografiert
    wird.«

    » Er muss ihr ständig gefolgt sein«, sagte Ena. „Zumindest an den
    Wochenenden, wenn er nicht auf den Baustellen war. Oder in seinem Urlaub. Abends. Und er hat
    sie ununterbrochen fotografiert.«
    Jennifer schluckte. Ihr Hals war ganz trocken. Wieder blickte sie zur Wohnungstür
    hin.

    » Hat er Ihnen die auch gezeigt?«
    Ena schüttelte den Kopf. „Nein. Wie gesagt, ich habe sie gefunden. Und ich habe nicht mit ihm
    darüber gesprochen. Wissen Sie, schon die Sache mit dem Fernrohr gefiel mir überhaupt nicht,
    aber ich habe versucht mir einzureden, dass es ein Zufall war, dass gerade Amy sein Zielobjekt
    war. Ich sagte mir, es lag eben daran, dass sie sich ausgerechnet in der Wohnung gegenüber
    aufgehalten hat, und es war ein schrecklicher Zufall, dass sie später einem Verbrechen zum
    Opfer fiel. Aber die Bilder ... ich meine, es hat den Anschein, als ob ... «

    » Er war besessen von ihr«, sagte Jennifer. 
»
Was wir hier sehen, Ena, das ist Stalking.
    Auch wenn das Opfer davon nichts mitbekommen hat.«
    „Stalker sind aber nicht unbedingt Mörder«, erwiderte Ena.
    Das Wort Mörder hing
    wie ein seltsamer Missklang in der stillen Wohnung. Ein Missklang, so scharf und so
    ste chend wie ein scheußlicher Geruch. Er riss Jennifer aus ihrer Starre.
    Sie erhob sich, die Bilder in der Hand. »Darüber wollten Sie mit Gwen sprechen?«
    Auch Ena stand auf »Ich wollte sie fragen, was ich nur tun soll. Ich konnte das nicht mehr
    allein mit mir abmachen.« Jennifer hielt die Bilder fest umklammert. Wieder schweifte ihr Blick
    zur Tür. »Wir müssen hier weg. Wenn er uns so überrascht, dann .. «

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