Das andere Kind
gegen halb sie ben bei ihr auf der Farm.
Aber wir saßen über eine Stunde im Auto. Redeten. Sie erzählte ihr
Leben, ich meins. Dann fuhr ich zurück.«
»Sie waren
dann hier zu Hause? Allein?«
»Ja.«
»Kann Ihre
Wirtin das bestätigen?«
Er fuhr sich
durch die Haare, wirkte hilflos. »Keine Ahnung. Ich meine, wenn der 16. Juli nicht auch für sie
ein irgendwie bedeutungsvolles Datum darstellt, wird sie kaum noch wissen, ob ich an jenem
Abend daheim war oder nicht. Aber vielleicht können Sie mir mal erklären, was ... «
»Haben Sie
Mrs. Fiona Barnes erst am vergangenen Samstag kennen gelernt?«, wechselte Valerie abrupt das
Thema. »Oder kannten Sie sie vorher schon?«
»Ich kannte
sie. Bin ihr ein paar Mal auf der Farm begegnet, wenn ich Gwen abholte. Einmal hat sie auch
Gwen und mich zu sich eingeladen. Sie ist mit Gwens Vater befreundet.«
»Kam es dabei
schon zu Zusammenstößen zwischen Ihnen beiden?«
»Nein.«
»Sie ließ nie
durchblicken, dass sie Ihnen misstraute?« »Sie zeigte, dass sie mich nicht mochte. Sie war kühl
und abweisend und musterte mich immer ziemlich feindselig. Aber mir war das eher egal.« »Und
vorgestern Abend war es Ihnen nicht mehr egal?« »Sie hat mich sehr rücksichtslos angegriffen.
Nein, das war mir nicht mehr egal, deshalb bin ich auch gegangen. Aber ich habe sie nicht
umgebracht. Mein Gott! So wichtig ist mir die Alte nicht und auch nicht, was sie von mir
hält!«
Valerie ließ
ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Wie jeder Besucher Dave Tanners war sie vom Chaos, von
der Schmuddeligkeit, von den unübersehbaren Anzeichen materieller Armut überrascht. Dave
Tanners Sprache, sein Auftreten, sein Verhalten ließen gute Erziehung, einen hohen
Bildungsgrad, eine Herkunft aus mindestens dem gehobenen Mittelstand erkennen. Tanner passte
nicht in dieses Haus, in dieses Zimmer. Fast zwangsläufig gelangte Valerie zu dem gleichen
Verdacht, dem sich zuvor auch Fiona Barnes und Leslie Cramer nicht hatten verschließen können.
Die Farm, die Gwen Beckett in nicht allzu ferner Zukunft erben würde - ein Rettungsanker für
Dave Tanner? Wie groß war seine Angst gewesen, dass Fiona Barnes mit ihren giftigen
Bemerkungen, mit ihren womöglich ins Schwarze treffenden Pfeilen Gwen von ihrem Vorhaben,
Tanner zu heiraten, abbringen könnte? Die alte Frau auf irgendeine Weise zum Schweigen zu
bringen, hätte er als existenzielle Notwendigkeit empfinden können.
Valerie
wechselte das Thema erneut.
»Sie wussten,
dass Ihre Kollegin Mrs. Gardner ein junges Mädchen zum Aufpassen auf ihre Tochter daheim
beschäftigte, während sie ihre Stunden abhielt?«
»Ja. Sie
hatte es irgendwann einmal erwähnt.« Tanner sprach jetzt sehr konzentriert, wenngleich spürbar
war, dass er um seine Ruhe hart ringen musste. Valerie war klar, dass er ihren Versuch, ihn
durch jähe Themenwechsel durcheinander zu bringen, durchschaute. »Aber ich kannte nicht ihren
Namen. Ich kannte das Mädchen selbst nicht.«
»Sie wussten,
wo Mrs. Gardner wohnt?« «Nein. Wir
hatten kaum
Kontakt.« »Aber über das Schulsekretariat hätten Sie ihre Adresse natürlich jederzeit
problemlos herausfinden können.« »Hätte ich. Habe ich aber nicht. Es gab keinen Grund.« Valerie
sah sich erneut im Zimmer um, diesmal auf eine deutlich abschätzende Weise, die Tanner
auffallen musste.
»Mr. Tanner,
ich gehe, glaube ich, recht in der Annahme, dass es um Ihre finanzielle Situation nicht allzu
rosig bestellt ist. Sie beziehen keine andere Einnahmen als den Verdienst aus den
Sprachkursen?«
»Nein.«
»Damit kommen
Sie gerade so aus, nehme ich an.« »Ja.«
Valerie ließ
dies erst einmal stehen. Sie erhob sich. »Das war es fürs Erste, Mr. Tanner. Mit einiger
Sicherheit werden wir weitere Fragen an Sie haben. Sie haben nicht vor, in der nächsten Zeit zu
verreisen?«
»Nein.« »Gut.
Sie hören von uns.« Valerie und Sergeant Reek verließen das Zimmer. Im Flur stießen sie auf die
Wirtin. »Und?«, fragte sie atemlos. »Hat er etwas angestellt?« »Das war eine reine
Routinebefragung«, antwortete Valerie. »Sagen Sie, Sie wissen nicht vielleicht, wann Mr. Tanner
am Samstagabend nach Hause kam?«
Mrs.
Willerton musste voller Bedauern zugeben, dass sie das tatsächlich nicht wusste. »Ich bin vor
dem Fernseher eingeschlafen«, erklärte sie. »Als ich aufwachte, war es fast Mitternacht. Ob Mr.
Tanner zu Hause war, weiß ich nicht.«
Auch Valerie
fand das
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