Das Arrangement
die Kehle und erschrak, als ihr einfiel, dass er ihren Pennyring bei sich trug. Sie hatte schließlich darauf bestanden, dass er ihn mitnahm. Mit einem Mal überfiel sie das schreckliche Gefühl, dass sie vollkommen verloren war. In jeder Beziehung verloren. Wie idiotisch von ihr, ihm in ihrem Sexrausch den einzigen Gegenstand zu geben, der ihr wirklich etwas bedeutete.
Was für eine unglaubliche Idiotin sie doch war.
Diese Sache hier musste sie ganz allein durchstehen, wenn sie erst mal entlarvt wurde, brauchte sie auch nicht mehr mit der Unterstützung der Fairmonts zu rechnen.
Gleich morgen früh hatte sie eine Verabredung mit James Brainard, aber die müsste verschoben werden. Marnie musste etwas anderes erledigen, und das konnte nicht warten.
Andrew stand vor dem grobkörnigen Fernsehbild und sah in den Nachrichten Bilder von Marnie, wie sie versuchte, vor dem Gerichtsgebäude der hungrigen Meute von Reportern zu entkommen. Sie war in Begleitung der Fairmonts sowie eines hochkarätigen Anwalts und sah verloren, durcheinander und verschlossen aus. Diesen Blick hatte er schon einmal gesehen. Sie schien auf das Schlimmste gefasst – die anderen ebenfalls.
In den Lokalnachrichten wurde die Geschichte noch einmal aufgerollt, man beschrieb sie als die geheimnisvolle, zurückgezogen lebende Erbin, die vor sechs Monaten wie durch ein Wunder einen schweren Bootsunfall überlebt hatte. Man berichtete über die vielen plastischen Operationen, bei denen ihr Gesicht wiederhergestellt worden war – die Fotos, die von Alison vor dem Unfall eingeblendet wurden, zeigten eine arglose schöne Blondine, die völlig anders aussah als diese aufgelöste dunkelhaarige Frau im Filmbeitrag.
Andrew schaltete den Ton aus. Nur er wusste, wer diese geheimnisvolle Erbin tatsächlich war – und nur er konnte sie aus diesem fürchterlichen Schlamassel befreien. Doch wenn er das tat, war alles vorbei – für sie beide. Er und Marnie hatten unsichtbare Schlingen um ihren Hals, sie waren beide im selben Netz gefangen. Eine falsche Bewegung würde ihr Ende bedeuten.
Er blickte zu der gut bestückten Hausbar hinüber, und ihm zog sich die Kehle zusammen, sein Mund fühlte sich ausgetrocknet an. Er hatte Lust auf einen Drink. Er wusste, dass ein Drink nichts ändern würde, er könnte ihm lediglich helfen, eine Zeit lang die Realität zu verdrängen, aber im Moment kam ihm diese Möglichkeit ziemlich verlockend vor.
Er war zurück in Mirage Bay und wohnte in dem Haus am Strand, das er vor seiner Abreise nach Mexiko angemietet hatte. Eigentlich hatte er gehofft, dieses Versteck nicht zu benötigen, wollte aber auf alles vorbereitet sein. Seine Reise nach Baja war ein Trick gewesen, um denjenigen aufzuscheuchen, der ihm an den Kragen wollte und der womöglich zwei Morde begangen und nun außerdem LaDonna auf dem Gewissen hatte.
Andrew glaubte immer noch, dass der ursprüngliche Plan funktioniert hätte, wenn er nicht gezwungen gewesen wäre umzudenken und in die Staaten zurückzukehren, als er von dem Mord an LaDonna und der Anklage gegen Marnie erfahren hatte. Als er zurückkam, wimmelte es in Sea Clouds von Polizisten, und Andrew sah sich außerstande, sich der Villa zu nähern. Wenn er entdeckt wurde, war seine Chance, Marnie zu helfen, vertan. Er musste sich ruhig verhalten. Unglücklicherweise war Diego Sanchez, Andrews einziger Draht zu Marnie, inzwischen von Bret vom Anwesen geworfen worden.
Diego konnte die Villa nicht einmal beobachten, ohne zu riskieren, dass ihn die Polizei oder Tony Bogart entdeckten. Also betrieb Andrew seine eigenen Nachforschungen. Sein angemietetes Strandhaus lag auf einer Klippe hinter Sea Clouds, und von seinem erhöhten Standort aus konnte Andrew beobachten, wie sich der Albtraum entwickelte, ohne dass er hätte einschreiten können. Die Situation wurde zusehends schlimmer. Man beschuldigte Marnie, sich selbst umgebracht zu haben, und es war ihr unmöglich, ihre Identität zu beweisen. Nicht mal er konnte das. Es gab keine Unterlagen über sie. Hatte es niemals gegeben.
Damals, als sie sich bereit erklärt hatte, in Alisons Rolle zu schlüpfen, hatte er nach Unterlagen über Marnie Hazelton gesucht, aber keine gefunden. Durch die Zeitungsartikel über die Untersuchung zu Butchs Mordfall hatte er dann erfahren, dass es auch der Polizei nicht gelungen war, irgendwelche Dokumente über sie aufzutreiben. Bis auf ein paar vereinzelte Nachweise von Schulbesuchen existierte Marnie Hazelton offiziell gar nicht.
Weitere Kostenlose Bücher