Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
spindeldürr und entweder blond oder rothaarig.
Sie musste unbedingt mit Rose Klartext reden und Savannah von den Schönheitsidealen befreien, die von den Modemagazinen propagiert wurden. Sie würde sie anrufen, sobald sie wieder zu Hause waren, auch wenn sie sich vor dem Gespräch fürchtete. Jedes Mal, wenn sie Rose wegen irgendetwas zur Rede stellte, ließ die Frau ihren Ärger woanders ab. Caroline hätte sich längst eine andere Kinderfrau gesucht, aber wenn sie das Thema Peter gegenüber ansprach, wies er sie darauf hin, dass Rose Savannah abgöttisch liebte, und das sei wichtiger als alles andere.
Wenn sie Savannah jetzt dazu verdonnerte, die Jacke auszuziehen, würde das ihr Selbstwertgefühl kaum fördern. Es war vollkommen lächerlich, aber Caroline hätte ihrer Tochter die rosafarbene Jacke am liebsten vom Leib gerissen.
Sie träumte davon, dass ihr Kind herumtollte wie seine Vettern und Kusinen, mit wehenden Haaren und in abgenutzten, schmutzigen Schuhen.
Savannah war ein so ängstliches Kind.
Nein, Savannah war nur ein wohlerzogenes und folgsames Kind.
Auch wenn sie sich manchmal auf die Hinterbeine stellte.
Das war ein guter Charakterzug. Sie sollte schließlich keine Jasagerin werden.
»Also gut, mein Schatz.« Caroline küsste Savannah auf den Kopf. »Du kannst deine Jacke anbehalten.«
Irene hob warnend eine Hand. »Aber denk dran, sie könnte schmutzig werden«, sagte sie zu Savannah.
»Du gibst mir doch eine Schürze, oder, Grandma?«
»Nichts bleibt ewig neu.« Irene beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Mach dir keine Sorgen, Kleines. Man kann alles waschen.«
Caroline fragte sich, ob es im Haus noch etwas anderes zu trinken gab als Bier. Sie hatte überlegt, eine Flasche Wein als Geschenk mitzubringen, aber wenn sie Joe und Irene besuchten, wollte Caroline vor allem eins nicht: aus der Reihe tanzen.
Sie ging ins leere Wohnzimmer. Irenes Lieblingssachen, ihre Kristallgläser und Porzellanfiguren, standen hinter Glas in einem Regal, das die ganze Wand einnahm. Joes Krimis und Irenes Sammelordner mit Handarbeitszeitschriften füllten die offenen Fächer aus.
Eigentlich hätte Caroline jetzt entweder nach draußen gehen müssen, wo Peter und einige andere Football spielten, oder wie Peters Schwestern Irene in der Küche helfen. Die Enkelkinder waren über das ganze Haus verteilt – zumindest diejenigen, die nicht mehr so klein waren, dass ihre Eltern sie trugen oder im Auge behalten mussten. Stattdessen setzte sie sich auf das weich gepolsterte Sofa.
Auf dem polierten, dunklen Sofatisch im Kolonialstil standen österliche Hummelfiguren. Irene wechselte sie monatlich. Caroline fuhr mit dem Finger über die Figuren: ein kleiner Junge, der Ostereier bemalte, und zwei Mädchen mit Kopftüchern, die einen Hasen tätschelten. In den Bäumen, Blumen und dem Gras aus Porzellan waren Ostereier versteckt. Die Enkel waren immer ganz wild darauf, die Figuren in die Hand zu nehmen, aber niemand wagte es, ohne Erlaubnis auch nur in ihre Nähe zu kommen. Selbst die Kleinsten hüteten sich, sie zu berühren. Wie bekam Irene das hin? Wie gelang es ihr nur, die ganze Bande kleiner und großer Kinder unter Kontrolle zu halten?
Caroline nahm ein rosafarbenes Osterei und rollte es in ihrer Hand hin und her.
»Pass bloß auf, dass es nicht verloren geht.« Peters ältere Schwester Sissy kam herein. »Es sei denn, du willst, dass meine Mutter dich aus der Familie verbannt.«
Caroline öffnete die Hand, sodass das Ei still dalag. Sissy nahm es vorsichtig mit zwei Fingern und legte es zurück in sein Versteck.
»Warum sitzt du ganz allein hier? Sind wir dir nicht gut genug?«, stichelte Sissy mit einem breiten Lächeln, bei dem sich ihre sommersprossigen Wangen zu den leuchtend blauen Augen hoben. Sie fasste ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und ließ sie dann wieder los, sodass sich ihre Lockenpracht entfaltete.
»Ich bin einfach nur müde«, antwortete Caroline.
»Und deshalb spielst du mit den Hummelfiguren?«
»Ich finde sie wunderschön.« Caroline tätschelte mit dem Zeigefinger den Kopf der Figur, die die Eier bemalte.
»Klar«, schnaubte Sissy verächtlich. Sie konnte Caroline nicht ausstehen. Peter stritt das zwar ab, aber Caroline wusste es. Faith dagegen nahm sie immer in Schutz. Sie bewunderte Caroline, weil sie Ärztin war und drei Sprachen beherrschte, wegen ihres Lebensstils, den sie für elegant hielt. Aber genau deswegen ging Caroline Sissy fürchterlich
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