Das Bild - Geschichte einer Obsession
es wohl sonst sein?» antwortete sie in schroffem Ton, der nicht gerade dazu einlud, weitere Fragen zu stellen.
VI. Das Sühneopfer
Claire legte die Fotos in die Mappe zurück. Sie schien unzufrieden. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, um sie zu der kurzen, stummen Szene zurückzulenken, die sich über dem Bild ihres Körpers (davon war ich in der Tat fest überzeugt) abgespielt hatte. Der Zustand, in den sie für einen Augenblick die Vorstellung versetzt hatte, daß ein Mann sie in einer solchen Stellung, weit geöffnet, erregt, unanständig, sah, schien mir neue, aufgrund ihres gewöhnlichen Verhaltens unvermutete Möglichkeiten zu eröffnen.
Als ich jedoch hörte, wie sie mich mit herablassender Höflichkeit fragte, was ich denn von ihren Talenten als Peinigerin hielte, spürte ich einmal mehr, wie sehr ich außerstande war, um sie zu werben oder auch nur zu wünschen, sie zu besiegen.
Die kleine Anne genügte ihr zur Befriedigung ihres Bedürfnisses nach Demütigung. Sie war die Beute, die sie den anderen an Stelle ihrer selbst zum Fraß vorwarf.
Ich antwortete, daß mir ihre Talente als Peinigerin auf einer Stufe mit ihren Talenten als Fotografin zu stehen schienen und daß dies ein großes Kompliment sei.
«Ich danke Ihnen», sagte sie mit einem halbironischen Lächeln und einer leichten Verneigung des Kopfes.
Alldem fehlte jedoch die Leichtigkeit, die Unbekümmertheit. Nachdem Claire sich rasch von einer unerklärlichen Schwäche erholt hatte, war sie in Verteidigungsbereitschaft, bereit, zuzubeißen. Ich hatte den Eindruck, daß sie jetzt nach einer Gelegenheit suchte, ihre Stärke zu zeigen, oder ihre Gefühllosigkeit. Sie sagte:
«Und über mein Modell machen Sie mir kein Kompliment?»
Ich zog es vor zu antworten, indem ich nur von der kleinen Anne sprach, ihr versicherte, daß sie da gewiß das bezauberndste Opfer besitze.
«Sie sind ihr neulich begegnet, nicht wahr?» fragte sie mich darauf.
«Ja, am Montmartre. Sie war allerdings alles andere als bezaubernd!»
«Ach?... Inwiefern?»
Ich überlegte ein paar Sekunden, was Claire von unserer Zusammenkunft wissen konnte.
«Sie war wohl nicht in der Stimmung, Konversation zu machen», sagte ich ausweichend.
«Hat sie es etwa an Respekt Ihnen gegenüber fehlen lassen?»
«Ich dachte nicht, daß sie mir welchen schuldet.»
Und ich lächelte amüsiert über diese Idee.
«Wenn ich es will, schuldet sie Ihnen welchen», sagte Claire.
Damit war für mich die Situation geklärt. Es gab nur noch ein Problem: zu erraten, was Claire eigentlich wollte. Vieles vermutlich, vorausgesetzt, es wurde in ihrer Gegenwart getan.
Was mich betrifft, so trieb mich in jenem Augenblick vor allem die Neugier.
Doch als die kleine Anne in das Studio kam, von ihrer Freundin mit einer Stimme gerufen, die mir voller Drohungen oder Versprechen schien, spürte ich, wie andere Gefühle zurückkehrten. Claire und ich, wir hatten uns wieder in die beiden kleinen, gut gepolsterten, der Mitte des Teppichs zugewandten Sessel gesetzt. Der niedrige Tisch, überflüssig, war in eine Ecke verbannt worden.
Anne mußte also der Gewohnheit entsprechend vor uns erscheinen: aufrecht, die Arme am Körper herabhängend und mit gesenkten Lidern. Sie trug einen Faltenrock und eine Hemdbluse; da sie keine Schuhe anhatte, ging sie auf ihren Strümpfen. Sie war hergerufen worden, um diesen Vorfall in der Buchhandlung zu klären und um ihr auf der Stelle eine Strafe aufzuerlegen, sollte sie sie verdient haben.
Wohlgemerkt, es ging nicht darum zu klären, ob die junge Frau irgend etwas verdiente oder nicht, sondern darum, einen Vorwand zu finden, sie nach unserem Belieben zu quälen und dabei so zu tun, als bestraften wir sie. Claire sprach im übrigen mit einer Heftigkeit, die für ihr Opfer nichts Gutes verhieß.
Es waren nur ein paar Sekunden nötig, um Anne schweren Ungehorsams zu überfuhren. Und ihre sofortige Bestrafung wurde beschlossen, ohne daß sie richtig den Mund auftun konnte, um sich zu verteidigen:
«Zieh dich aus!» befahl Claire.
Die kleine Anne kannte ihre Rolle gut, denn es war nicht nötig, ihr nähere Anweisungen zu geben. Sie kniete sich vor ihrer Herrin auf den dicken Wollteppich und legte Stück um Stück ihre Kleidung ab. Ganz offensichtlich befolgte sie ein bestimmtes Zeremoniell.
Da es sehr heiß war, hatte sie nicht sehr viel an. Sie begann mit dem Rock, den sie an der Taille aufhakte, über der Hüfte öffnete und über den Kopf zog.
Sie trug auch an jenem Tag kein Höschen. Ihr
Weitere Kostenlose Bücher